Hey Veganer, euch fehlt Vitmain B12!

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Der Veganismus ist nicht nur ethisch und ökologisch sehr sinnvoll; eine ordentliche vegane Ernährung kann eine Reihe gesundheitlicher Vorteile haben. Aber oft wird das berüchtigte Vitamin B12 als Argument gegen den Veganismus verwendet. Weil dieses in Pflanzen kaum vor kommt, wird der als eine unvollständige Mangelernährung betrachtet und es wird argumentiert, dass es notwendig ist, Tierprodukte zu konsumieren.
B12 ist ein recht komplexes und heiß diskutiertes Thema. Klar ist, dass B12 unerlässlich ist. Es ist unter anderem wichtig für die Blutbildung, das Nervensystem und die Zellteilung.

B12 wird im Vergleich mit anderen Vitaminen nur in sehr geringen Mengen benötigt. Beim empfohlenen Tagesbedarf gibt es recht viele unterschiedliche Ansichten aber in vielen Fällen liegt der bei etwa 3 Mikrogramm, also nur drei millionstel Gramm. Da nur ein Teil aufgenommen wird, werden teilweise auch höhere Dosierungen empfehlen. Die B12-Speicher des menschlichen Körpers in der Leber und den Muskeln reichen in der Regel für mehrere Jahre, weshalb Mängel nicht von heute auf morgen auftreten. Einen B12-Mangel sollte man aber trotzdem nicht riskieren. Je nach Ausprägung kann das zu Konzentrationsschwäche, depressiven Verstimmungen, Störungen bei der Blutneubildung und im Extremfall zu irreversiblen Nervenschäden führen.

B12-Mangel ist in der weltweiten Gesamtbevölkerung leider weit verbreitet, oft ohne dass die Betroffenen davon wissen. Viele Ärzte sind dafür zudem nicht ausreichend sensibilisiert. Deshalb ist das Supplementieren von B12 allgemein für jeden ein gute Idee, vor allem mit zunehmendem Alter und bei Schwangerschaft. Glücklicherweise ist das auch kein Problem.

Wie gesagt, wird dieses Vitamin häufig als ein Argument gegen den Veganismus angeführt, weil es in Pflanzen kaum vorkommt. Aber zunächst mal ist B12 KEIN Tierprodukt, denn Tiere oder Pflanzen sind -wie auch der Mensch- nicht in der Lage Vitamin B12 selbst herzustellen. Es wird in der Natur von Mikroorganismen – insbesondere Bakterien – produziert.

Diese leben im Wasser, in der Erde, auf der Oberfläche mancher Pflanzen und im Darm von Tieren, einschließlich des Menschen. Da unsere Lebensmittel aber in der Regel industriell gereinigt sind und unser Wasser glücklicherweise geklärt ist, sind die Verunreinigungen nicht ausreichend um den Bedarf an B12 zu decken. Cobalamine kommen durchaus auch in einigen pflanzlichen Lebensmitteln wie Sauerkraut und Bier vor, allerdings schwankt die Menge des enthaltenen B12 stark und besteht zudem zum Großteil aus nicht verwertbaren B12 Analoga. Das sind B12-Varianten ohne Vitaminwirksamkeit. Neueren Forschungen zufolge, ist aktives B12 aber wohl doch auch in manchen Algen in nennenswerter Menge enthalten. Das galt bisher als zweifelhaft.

Im Grunde besteht der Einwand aus zwei Aspekten: Schädlichkeit und Unnatürlichkeit. Beide sind aber nicht stichhaltig.

Industriell hergestelltes B12 ist nachweislich wirksam und unbedenklich. Wo das B12 von den Mikroben hergestellt wird, ob dies im Darm von Tieren oder in Kupferkesseln passiert, spielt für die Wirksamkeit keine Rolle, denn es ist chemisch komplett identisch.
Nur ist letzteres reiner und effizienter da es in der Natur eben meist gemischt mit den Analoga und in schwankender Menge vorkommt. Man kann es also auch besser dosieren. Außerdem nimmt man mit Tierprodukten zwangsläufig weitere Stoffe auf, die oft gesundheitsschädlich sind. Darunter krebsfördernde Hormone, Keime, Antiobiotikarückstände und vieles mehr. B12 kommt zudem vor allem in Innereien vor. insbesondere in der Leber. Aber aus iiiirgend einem Grund, enthält dieses Entgiftungsorgan wohl Schadstoffe, weshalb es gar nicht empfohlen wird, viel davon zu essen. Da ist es schon recht skurril, wenn von manchen Menschen statt dessen das völlig schadstofffreie, synthetisch hergestellte B12 wird als ungesund angesehen.

In einer Studie wurden die B12-Werte verschiedener Personen gemessen. Die Probanden mit den besten Werten, waren nicht die, die die meisten Tierprodukte aßen sondern die, die supplemtierten und angereicherte Nahrungsmittel konsumierten. Tatsächlich ist das Supplementieren von B12 also sogar gesundheitlich vorteilhafter und wirksamer.

Wie Menschen früher ihren B12-Bedarf deckten, kann man nicht ganz eindeutig sagen. Nicht alle konnten B12 aus tierischen Produkten beziehen. Es gab durchaus Bevölkerungsgruppen, die aus verschiedenen Gründen vegan oder nahezu vegan lebten. Das kann Armut gewesen sein, athletische Gründe wie bei den Gladiatoren oder religiöse Gründe wie bei den Jainisten oder den Bischnoi. Man geht aber davon aus, dass das durch die weniger hygienischen Lebensweisen geschah. Gerade auch im Mittelalter hat man es ja mit der Hygiene ja noch nicht soooo genau genommen.
Da Wasser früher nicht geklärt wurde, enthielt es Verunreinigungen wie Exkremente und viele andere Dinge, darunter sicherlich Cholerabakterien und andere unschöne Sachen -aber eben auch Vitamin B12. Heute ist das glücklicherweise anders. Beim Klären wird neben Schadstoffen und Verschmutzungen aber auch enthaltenes B12 entfernt. Theoretisch könnte man nachher wieder B12 zusetzen. Da B12 zu den wasserlöslichen Vitaminen gehört ist eine Überdosierung nicht möglich. Der Überschuss wird einfach wieder ausgeschieden. Aber natürlich kann man durchaus die Ansicht vertreten, dass Leitungswasser weitgehend frei von Zusätzen sein sollte. – Dass wir heute nicht aufgrund von Jodmangel flächendeckend alle an einem Kropf leiden, wie es im 19. Jahrhundert quasi schon fast normal war, liegt vor allem daran, dass wir unser Speisesalz mit Jod anreichen. Es wäre kein Problem das auch mit B12 zu tun. Das einzige was sich dabei merklich für Menschen ändern würde, ist, dass das Salz rosa aussähe, weil B12 in seiner reinen Form

Da das derzeit nicht im größeren Maßstab getan wird, hat man genügend andere Möglichkeiten. Neben einfachen Kautabletten wie Veg-1 oder Jarrows B12, Mundspray oder B12-Kaugummies, gibt es auch diverse angereicherte Nahrungsmittel. Zudem gibt es praktischerweise auch Zahnpasta mit B12, die nachweislich allein durchs Zähneputzen den B12-Spiegel erhöhen kann. Spätestens bei Zahnpasta müsste man merken, dass Natürlichkeitsargumente in diesem Kontext unsinnig sind. Zähneputzen tut man ohnehin. Und das lehnt auch keiner ab, weil es komplett unnatürlich ist.
Und der Großteil des industriell hergestellten B12 wird nicht von Veganern konsumiert sondern indirekt von allen Menschen, denn das meiste wird in der Viehwirtschaft an die Tiere verfüttert, da diese eben sehr unnatürlich gehalten werden und demensprechend selbst B12 brauchen.
Praktisch alle Tiere in der „Intensivtierhaltung“, die keine Wiederkäuer sind, bekommen B12 im Futter supplementiert. Zudem hat auch das von uns produzierte Fleisch auch sonst kaum noch etwas mit Natürlichkeit zu tun. Das kommt fast ausschließlich aus Tierfabriken und industrieller Massentierhaltung. Die Tiere werden auch nicht mit bloßen Händen erlegt und mit den Zähnen zerteilt. Dafür werden unnatürliche Werkzeuge verwendet. Wenn ein B12-Suppelement also unnatürlich ist, dann ist es das handelsübliche Geflügel- und Schweinefleisch erst recht.
Und ohne Supplementierung geht es in der modernen Massentierhaltung im Grunde auch gar nicht. Die Alternative wäre, es so zu machen, wie man es bis 2001 getan hat: Tiermehl verfüttern -also die pulverisierten Leichen ihrer Artgenossen. Und die Tiere damit zwangskanibalisieren. Was das Ergebnis davon war, wissen wir ja.
Sein B12 so indirekt über Tiere aufzunehmen, macht es natürlich einfach, sich einzureden, dass das, was Veganer tun unnatürlich ist, und ein Beweis für eine unausgewogene Mangelernährung. Hinzu kommt, dass B12 hitzeempfindlich ist. Wenn man mit der Natürlichkeit argumentiert, dürft man das Fleisch an der Stelle dann ohnehin nur roh essen.
Im Grunde ist das Argument also: „Nein, ich möchte nicht dieses reine, wirksame B12 aus dem Bioreaktor, weil das unnatürlich ist. Ich will, dass das Zeug zuerst an Tiere verfüttert wird, möglichst ohne dass man es mir erzählt und nehme dann lieber das verunreinigte aus dem Darm von Tierleichen weil das dadurch aus irgend einem Grund -den ich nicht erklären kann- viel natürlicher wird -und dadurch besser -was ich auch nicht erklären kann.“
Diese Natürlichkeits-Ideologie ist nicht rational. Der genau gleiche Stoff wird abgelehnt, wenn man ihn statt aus Tierprodukten separat zu sich nimmt, weil das „unnatürlich“ sei.
Das ist aber nicht nur umständlicher, verlustreicher und unökologischer. Es bringt auch keine nennenswerten Vorteile aber eine ganze Reihe Nachteile.

Wir alle supplementieren also heute. Die einen über den Umweg über Tiere, wo man es nicht wirklich merkt und sich einreden kann, sich natürlich und ausgewogen zu ernähren, die anderen eben direkt und gezielt und ohne sich da etwas vorzumachen.
Man lässt als Nichtveganer das Supplementieren nur andere für sich tun, und bekommt nichts davon mit, weil das so indirekt passiert.
In manchem veganen Aufschnitt ist B12 auch zugesetzt und steht dementsprechend auf der Zutatenliste. Nur wird das eben direkt hinzugefügt und nicht per Umweg über das Tier.
Supplementieren ist grundsätzlich völlig in Ordnung. Es heißt, dass wir erforscht haben, was wir brauchen und an den Stellen wo es mangelt, einfach nachbessern können.
Veganismus ist ohne B12 tatsächlich eine Mangelernährung, wie jede andere Ernährung ohne B12 eine ist. Deshalb führt man es ja zu. Damit es keine ist. Das ist ein Nährstoff wie andere auch. Man braucht etwas. Also nimmt man es zu sich. Die vermeintliche Natürlichkeit der Quelle ist aber einfach kein Argument.
Wenn man argumentiert, dass Veganismus ohne B12-Zufuhr defizitär ist, ist das sicherlich richtig. Genauso wie eine omnivore Ernährung defizitär ist, wenn man nicht genug Wasser zu sich nimmt. Aber wenn man nicht gerade Pfützenwasser trinkt, sind praktisch alle unsere Getränke unnatürlich.
Und auch wenn auf die Flaschen gern was anderes geschrieben wird: Auch Bier ist unnatürlich. Bier wächst aber nicht auf Bäumen sondern wird erst vom Menschen hergestellt. So wie die allermeisten anderen Getränke auch. Die werden alle in Fabriken und Brauereien produziert.
Selbst Leitungswasser ist unnatürlich geklärt, kommt aus unnatürlichen Wasserhähnen und wird meistens aus unnatürlichen Flaschen und Gläsern getrunken. Und da würden es doch niemand für ein vernünftiges Argument halten, diese Getränke abzulehnen, weil sie so unnatürlich hergestellt werden. -außer, es geht um Veganismus. Dann erscheint genau dieselbe seltsame Aussage wie ein total stichhaltiges Argument, wenn man sie selbst verwendet.

Bis zu 90% aller Deutschen leiden an einem Vitamin D Mangel. Insbesondere zum Ende der Winterzeit. Das liegt daran, dass wir unnatürliche Kleidung tragen und in unnatürlichen Häusern leben und daher nicht genug Vitamin D durch Sonneneinstrahlung bilden können. Und da käme niemand auf die Idee zu fordern, die Kinder nackt auf der Wiese leben zu lassen, weil das natürlicher ist und gut für die Vitamin-D-Produktion. Oder wenn es um Folsäure, Calcium, Magnesium, Vitamin C oder andere Nährstoffe geht an denen es uns gern mal fehlt. Da werden Supplemente und angereicherte Nahrungsmittel verwendet und fast jeder hält das auch für vernünftig und sinnvoll. Und falls da mal nach der Ursache gefragt wird, wird die dann selten so heiß und kritisch diskutiert, wie im Bezug auf Veganer und B12.

Gefühlsmäßig ist eine Abneigung gegen das Supplementieren oder eine Skepsis schon nachvollziehbar aber das ist in erster Linie ein auf einer Naturverklärung begründetes Bauchgefühl. Wir haben uns aber von der Natur ziemlich weit gelöst. Das ist in manchen Bereichen schlecht aber an vielen Stellen auch gut so. Nur vergessen dann viele dadurch, wie brutal und ekelig die Natur auch sein kann und verklären sie zu einer perfekten und gesunden Sache, die sie einfach nicht ist und niemals war. „Natürlich“ heißt nicht automatisch gesünder. Viele natürliche Dinge sind giftig, ungesund und gesundheitsschädlich, oder einfach nur unrein und keimbelastet, während viele unnatürliche Dinge wesentlich gesünder sein können.

B12 produzierende Mikroben leben, wie erwähnt, auch im menschlichen Darm und produzieren dort große Mengen aktives B12. Allerdings nahe am Ausgang und damit an einer Stelle an der es schon nicht mehr resorbiert werden kann und deshalb ausgeschieden wird.
Wer das mit der Natürlichkeit also wirklich ernst meinen sollte, hat durchaus die Möglichkeit den B12-Bedarf mithilfe seiner Darm-Mikroben selbst zu decken, so wie manche Tiere das auch tun. Das nennt man Koprophagie. Vom hygienischen und ästhetischen Standpunkt aus fragwürdig aber ethisch überhaupt nicht zu beanstanden und auch sehr natürlich.Ansonsten wird teilweise noch argumentiert, dass sie sich von Supplementen nicht abhängig machen wollen. Aber das ist auch eher emotionales Unbehagen als ein rationales Argument. Denn abhängig sind wir sowieso. Und zwar von vielen Dingen. Von Sauerstoff, Wasser und natürlich von diversen Nährstoffen wie eben auch B12. Und nicht zuletzt auch von der Nahrungsmittelindustrie. Und das ist auch nicht unbedingt schlecht, weil wir dann Zeit für andere Dinge haben und nicht alle kollektiv selbst auf dem Feld arbeiten müssen.
Vitamin B12-Supplemente sind leicht erhältlich, billig, unkompliziert, sicher und wirksam. Und wenn man diese Nährstoffe auf unproblematische Weise auch aus anderen Quellen als aus Tierprodukten beziehen kann, dies aber ablehnt weil sich das zu unnatürlich und irgendwie zu nahe an Medikamten anfühlt, obwohl es dafür keinen rationalen Grund gibt, dann macht man sich statt dessen von Gewalt abhängig, bzw. man bleibt es. B12 direkt über Supplemente zu beziehen ist also nicht nur sicherer, zuverlässiger, und ökologischer – es ist zudem auch eher eine Befreiung von der Abhängigkeit von Ausbeutung und Tötung fühlender Lebewesen.

Hey Veganer, "die Kinder in Afrika" wären froh, wenn sie Fleisch hätten!
Hey Veganer, Moral ist subjektiv!