Hey Veganer, ihr seid dogmatisch!

Transkript

Die meisten Menschen finden es bewundernswert, wenn andere sich konsequent gegen Ungerechtigkeit und Gewalt engagieren. Außer wenn man Gerechtigkeit nicht nur für Menschen einfordert, sondern auch die empfindungsfähigen Lebewesen einschließt, die andere Menschen gern essen und benutzen wollen.
Dann wird das von so manchen als blinder, religiöser fanatischer Eifer betrachtet und als „dogmatisch“ angeprangert.
Ein Dogma ist eine feststehende Definition oder eine grundlegende quasi unumstößliche Lehrmeinung. Und natürlich ist es kritikwürdig, ohne gute Begründung auf einer Ansicht zu beharren. Aber Dogma wird leider oft auch als als Kampfbegriff für Überzeugungen verwendet, die einem unbequem sind. Damit kann man Ansichten mit denen man sich sonst auseinandersetzen müsste und die die EIGENEN Überzeugungen in Frage stellen und gegen die man vielleicht keine guten Argumente hat, einfach als Religion bezeichnen um sie damit beliebig zu machen, sie abzuwerten und die Vertreter dieser Überzeugung in eine Fundamentalistenecke zu stellen. Menschen werfen oft einfach nur solche Begriffe in eine Diskussion und hoffen, dass diese schon die Arbeit erledigen, statt wirklich sachlich und vor allem selbstkritisch zu argumentieren.
Wenn jemand kein Tiereprodukte konsumiert, weil die Eltern das so gesagt haben, die Großeltern das auch schon nicht getan haben, und weil es alle anderen auch nicht tun und weil es schon immer gemacht wurde und weil es normal ist und man es deshalb unhinterfragt übernimmt, dann könnte man das eventuell als Dogma bezeichnen. Nur ist das bei den allerwenigsten Veganern der Fall, dafür aber bei praktisch allen Fleischessern. Veganer haben sich derzeit, anders als die meisten Nichtveganern, diese Überzeugung selbst angeeignet.
Wenn man Tierausbeutung kritisiert, weil man sehr gut Argumente dagegen hat, dann ist das kein Dogma. Egal wie nachdrücklich und konsequent diese Überzeugung vertreten wird.

An Überzeugungen festzuhalten, die man vernünftig anhand von klar nachvollziehbaren Kriterien erläutern, verteidigen und begründen kann und für die man gute Argumente hat, oder weil Gegenargumente schwach, falsch oder fehlerhaft sind, ist kein „Dogmatismus“. Leidervermeidung im Allgemeinen, Umweltschutz, Ressourceschonung, soziales Verhalten und anderes sind durchaus gute Argumente, während Aussagen wie „Es War schon immer so.“, „Es ist natürlich“, „andere tun das auch“ und „Mir schmeckt’s halt.“ ganze schlechte Argumente für Handlungen sind die unnötiges Leid verursachen.
Wenn man das aber irgendwie ahnt, und keine funktionierenden Gegenargumente hat, wird der Dogmatismus-Vorwurf leider oft frustriert als Totschlagargument verwenden um die Debatte als moralischer Sieger zu beenden.

Zu fordern, dass es in der Kantine jeden Tag Fleisch geben muss, könnte man aber beispielsweise viel eher dogmatisch nennen, wenn man solche religiösen Begriflichkeiten verwenden will. Wenn man sich ansieht, wie explosiv viele Menschen sich über den Vorschlag eines freiwilligen Veggie-Days empören und das als so eine Art vegane Diktatur betrachten, dann scheint Fleisch für viele Menschen eine Art quasireligiöser Fetish zu sein. Und der Veganer ist dabei dann so eine Art Ketzer.

Es hat sich vermutlich noch nie irgendwer dagegen protestiert, dass es nicht jeden Tag Brokkoli gibt, oder dass es letzten Montag nichts aus Getreide gab. Das würden die meisten Menschen berechtigterweise auch sehr grotesk finden.
Aber bei Fleisch legt man völlig andere Standards an, obgleich das ebenfalls auch erst mal nur eine willkürliche mögliche Komponente von vielen ist. (Nur eben eine mit sehr vielen negativen Auswirkungen.)
Man behauptet, auch nur ganz wenig Fleisch zu essen, achtet angblich immer darauf wo es herkommt und hält Veganismus für nicht abwechslungsreich genug, will aber jeden Tag Fleisch in der Kantine.

Tierausbeutung ist so tief in unserer Kultur und unseren Glaubenssätzen verankert, dass die meisten Menschen nicht realisieren, dass man sie ebenfalls als „Dogmatiker“ bezeichnen könnte. Nur dass dieses Dogma unnötiges Leid, Tod, Ungerechtigkeit und Umweltzerstörung verursacht, während das vermeintliche Dogma des Veganismus solche Dinge reduzieren oder verhindern würde.
Ersteres ist durch seine Allgegenwärtigkeit aber wesentlich subtiler und oft geradezu unsichtbar denn es kleidet sich ja gerade in den Mantel der „Normalität“. Und wenn man etwas das man als normal bezeichnet, mit „richtig“ oder „gerechtfertigt“ gleich setzt und Abweichungen verhindern oder bekämpfen will, kann das sogar ein besonders starkes Dogma sein. Normal bedeutet nicht gleich undogmatisch. Es ist oftmals sogar die Voraussetzung für ein Dogma und eine Eigenschaft davon.

Wenn nun Einzelpersonen eine Überzeugung wie den Veganismus vertreten, ohne gute Argumente dafür zu haben, kann man das natürlich erst mal kritisieren. Daraus folgt aber nicht automatisch, dass die Überzeugung selbst nicht begründbar ist und dass man diesen eventuellen Dogmatismus dann auf auf alle anderen Vertreter der Überzeugung oder auf die Überzeugung selbst übertragen kann.
Wenn man sich wirklich herablassen muss, die möglichst konsequente Ablehnung von unnötiger Gewalt und das Kritisieren von Tierausbeutung, Leidverursachung, Umweltzerstörung und Ressourcenverschwendung trotz sehr guter Begründungen, pauschal Dogma zu nennen, dann ist das zumindest vielleicht das beste Dogma was man haben kann und wohl eines der wenigen die etwas Gutes bewirken. Und es ist sicherlich besser als egoistische Dogmen wie: „Jeder soll machen was er will, egal wie viel Gewalt, Ausbeutung, Leid und Ungerechtigkeit er damit verursacht.“ Mit so einer Argumentationskultur könnte man jede einigermaßen überzeugte Aussage, auch wenn sie irgendwo zwischen zwei Standpunkten liegen sollte, als Dogma bezeichnen. Das hat aber mit einem sachlichen Diskurs und redlichem Argumentieren nicht viel zu tun.
Man sollte sich auch nicht zu sehr selbst dafür auf die Schulter klopfen, vermeintlich undogmatisch zu sein, denn die eigenen Dogmen erkennt man meist nicht als solche.
Und oft ist „undogmatisch“ nur ein beschönigender Ausdruck für gleichgültig, inkonsequent oder willkürlich. Und das ist in vielen Fällen mindestens so verheerend wie dogmatischer Glaube.

Hey Veganer, Kühe müssen gemolken werden!
Hey Veganer, wie erkennt man, dass jemand vegan ist? *lol*