Hey Veganer, wie erkennt man, dass jemand vegan ist? *lol*

Transkript

„Woran erkennt man einen Veganer?
Keine Sorge, er wird es dir sagen.“

Dieser Witz hat sich in letzter Zeit zum Standardkommentar so mancher Fleischesser entwickelt. Man könnte schon fast fragen: Woran erkennt man einen Fleischesser? Keine Sorge, er wird dich fragen, woran man einen Veganer erkennt.

Da der Witz so inflationär verwendet wird und spätestens dadurch irgendwann auch nicht mehr witzig ist, kann man ihn ja mal ganz kritisch und humorbefreit analysieren
Dann fällt unter anderem auf, dass Menschen die Tierprodukte essen, in der Regel AUCH kein Geheimnis daraus machen und dass diese ja meist mehrmals täglich über nichtveganes Essen und nichtvegane Dinge sprechen oder diese tun. Nur ist den Menschen das nicht bewusst, da das für sie ihre Lebensrealität ist, sie das als den Normalzustand betrachten. Und da stellt man sich eben nicht die Frage, wie oft man so etwas eigentlich tut und sich damit zu erkennen gäbe, wenn es nicht ohnehin die Norm wäre.

Natürlich gibt es vegane Aktivisten die sich gegen Tierausbeutung engagieren, aktiv Missstände kritisieren und für den Veganismus eintreten -wie für viele andere Anliegen auch, und dazu muss man selbstverständlich Menschen konfrontieren. Aber entgegen der öffentlichen subjektiven Wahrnehmung erzählen nur wenige noch bevor sie sich vorgestellt haben ungefragt jedem von ihrem Veganismus um sich wichtig zu machen. Wenn man Veganern als Motivation aber einfach Geltungsbedürfnis und Wichtigtuerei unterstellt, kann man es sich einfach machen kann. Denn damit lässt sich viel einfacher umgehen als mit tatsächlichen ethischen Anliegen, die die eigenen Überzeugung und Handlungen in Frage stellen könnten. Veganismus ist für ethisch motivierte Veganer eben meist keine Privatangelegenheit, die sie nur für sich selbst tun. Und da ist man dementsprechend auch nicht damit zufrieden, selbst ein besseres Gewissen zu haben, da es eben um die tierischen Opfer geht und nicht um das eigene Seelenheil. Und es wäre dann widersinnig, das für sich zu behalten. Viele Menschen würden ja mindestens genau so direkt sein, wenn sie sich gegen Menschenrechtverletzungen, Krieg oder Politikerwillkür einsetzen. Und zwar spätestens immer dann, wenn sie damit konfrontiert werden. Das ist bei Veganern praktisch permanent der Fall. Wir leben in einer Gesellschaft in der Tierausbeutung allgegenwärtig ist. Und solange man solchen Anliegen zustimmt oder sie einen nicht betreffen, stört das auch nicht weiter. Aber Veganismus setzt das um, was viele Menschen selbst zu vertreten glauben: Dass es Unrecht ist, schwächeren und wehrlosen Individuen Leid zuzufügen. Nur ist er dabei konsequent und zeigt dadurch die ganzen Ausnahmen auf, für die wir uns Rechtfertigungen konstruiert haben. Das ist unbequem und provozierend und fällt überdurchschnittlich auf, egal ob das beabsichtigt wird.

Aber an vielen Stellen kommen Veganer auch gar nicht umhin, ihren Veganismus zu erwähnen. Viele Nichtveganer erzählen auch regelmäßig von irgendwelchen Fleischgerichten, weil sie nicht wissen, dass man vegan lebt, oder teilweise ungeachtet dessen. Da kommt man auch nicht umhin zu erwähnen, dass man vegan ist, wenn man sich das nicht permanent anhören will. Und als Veganer will man das wirklich nicht. Und wenn man keine Tierprodukte konsumiert, muss man das Menschen die einem welche zubereiten oder vorsetzen würden, natürlich rechtzeitig sagen. Es lässt sich also oft gar nicht vermeiden.

Leider ist es aber auch nach mehrmaligem ausdrücklichen Erklären nicht selten so, dass man trotzdem etwas unveganes vorgesetzt bekommt. Auch Gastronomen sind teilweise von der Bitte um etwas ohne Tierprodukte komplett überfordert. Oft ist die Speisekarte das einzig vegane im Restaurant. Und dann muss man natürlich versuchen, das genau zu erklären, auch wenn das nervig für alle Beteiligten ist

Wir Menschen akzeptieren vermeintliche Bestätigungen für Dinge die wir ohnehin glauben oder glauben wollen eher und halten diese für stärker als Indizien die auf das Gegenteil hinweisen. Das nennt man confirmation bias. Wenn man also Veganer nervig findet und ein Veganer nervt, nimmt man das eher als Bestätigung für diese Überzeugung, als dass man einen oder mehrere zurückhaltende Veganer als Beleg für das Gegenteil nimmt. Hinzu kommt, dass die Veganer die ihren Veganismus nicht erwähnen ja gar nicht wahrgenommen werden und man dadurch gar nicht weiß, dass sie welche sind. Der Witz liegt also nicht zuletzt in der eigenen verzerrenden Wahrnehmung begründet.

Wenn bekannt wird, dass man vegan lebt, wird man oft automatisch in die typischen Debatten verwickelt und muss sich immer wieder die gleichen Kommentare anhören und wird gefragt warum. Häufig wollen die Fragenden gar keine wirkliche Antwort darauf, sondern sehen nur eine Gelegenheit die naiven Veganer darüber aufzuklären wo ihre vermeintlichen Fehler liegen und warum Veganismus Blödsinn ist. Und es ist für viele ein Anlass mit Diskussionen und Rechtfertigungen zu beginnen oder den Lieblings-Veganerwitz, zum Besten zu geben.

Ähnlich sieht es aus, wenn irgendwo über über Veganismus berichtet wird. Im Internet weiß man schon vorher, was einen da erwartet. Da wird sich ausgelassen über die dummen sektierischen naiven Veganer und man macht dem Frust über das selbstgerechte linksversiffte Gutmenschenpack mal so richtig Luft. Man bringt die Standardwitze, die üblichen Argumente und erklärt, dass Veganer nerven und dass jeder doch machen soll was er will und so weiter. Das ist alles mindestens so vorhersehbar wie vermeintlich mitteilungsbedürftige Veganer.

Man könnte genau so fragen: Woran erkennt man einen passionierten Fleischesser?

– Er kommentiert unter jedem Artikel, in dem das Wort Veganismus vorkommt, mit einem Fleischgericht.
– Er isst angeblich trotzdem auch nur ganz wenig Fleisch, und auch nur vom Metzger des Vertrauens wo er weiß, dass es den Tiere gut geht.
– Er hält moralisierenden Vorträge darüber, wie nervig moralisierende Vorträge sind.
– Er hält Löwen und Urmenschen für gute moralische Vorbilder
– Obwohl ihn Tierleid nicht wirklich interessiert, entwickelt er spontan eine große Sorge um das Leid von Pflanzen.

Das könnte man noch lange fortsetzen. Wenn man das schon nicht lustig findet, dann kann man sich ja sicherlich vorstellen, wie es erst aussieht, wenn man diese Sprüche mehrmals wöchentlich hört.

Das war jetzt eine schrecklich lange Erklärung für einen schrecklich kurzen Witz und bestätigt sicher so manchen, der sich vorgenommen hat das zu glauben, darin, dass humorlos, verkniffen und frei von Lebensfreude sind. Aber anderen zeigt es vielleicht, dass das Thema eben doch komplexer ist, als man sich das vorstellt und dass man statt unorigineller Witze über andere, sich lieber ein paar originelle Gedanken über sich selbst machen sollte.

Hey Veganer, ihr seid dogmatisch!
Hey Veganer, ich akzeptiere eure Meinung auch!