Depressive Nicht-so-richtig-Veganer und relativistische Quantenmeinungen

„Ich lass mir von den Scheiß-Gemüse-Nazis doch nicht die Lebensfreude nehmen.“ hat mir heute wieder jemand gesagt. Wie findest du sowas, liebes Tagebuch? … Aha? … Passt, meinst du? … Achso, moralistisches Klugscheißerpack, hm. Ja, verstehe. Ok, also ich sag dann jedenfalls so zu dem Nutztiernazi: Brauchst du wirklich … Was sagtest du, liebes Tagebuch? … Beleidigend? … Nutztiernazi geht also nicht? Ah, das ist was anderes. Und wie ist es mit Fleisch-Faschist? … ah, ok… T-Bone-Terrorist? … Tartar-Taliban? Auch nicht … hm. Verstehe. … Schnitzel-Sekte? Geht auch nur in die eine Richtung, ok. Und warum? … Extremistische Spinner, ja: unsachlich, polemisch, fanatisch und so. Ja, das möchte ich natürlich nicht sein. Aber Gemüse-Nazi geht klar, stimmt’s Tagebuch? Öko-Terrorist und Körner-Talbian und so auch? Echt? Und warum? … Weil’s stimmt, meinst du? Aber wenn die Vegetarier sowas sagen würden, dann… Ach so, ist nicht normal. Ja, ist halt nur so ne fanatische Minderheit, oder? Oder liegt das an meinen Alliterationen? Du kannst mir ruhig sagen, wenn es an meinen Alliterationen liegt. … Ja, aber immer noch origineller als immer nur Gemüse-Nazi. Ich könnte ja auch einfach Fleisch-Nazi sagen aber ich habe mir immerhin die Mühe gemacht die gleichen Anfangsbuchstaben… Schon gut. Trotzdem könntest du das zumindest etwas würdigen.

Also halten wir fest: Nazi-Bezeichnungen für Vegetarier sind in Ordnung und gesellschaftlich akzeptiert und gerechtfertigt. Nazi-Bezeichnungen für Nicht-Vegetarier sind eine unverschämte Dreistigkeiten die beweisen, dass Menschen die sie verwenden extremistische Fanatiker sind. Das ist jetzt nicht ganz intuitiv aber ich bin froh, dass ich dich habe, Tagebuch. Wenn man das nicht weiß, kann man schnell ins Fettnäpfchen treten wenn man einfach mal jemanden ganz unverbindlich zurück grüßen will.

Na gut, also: Karnist … Ich frage ihn jedenfalls, ob er … Wieso das? Karnismus beschreibt doch nur die Ideologie die Gewalt rechtfertigt. Wenn man dazu steht, sollte die Bezeichnung doch nicht beleidigend sein … Ok, das stimmt zwar, aber ist nicht jedes Wort mehr oder weniger ausgedacht? Fleischfresser also? … Auch nicht? Meine Güte. Da ist aber jemand empfindlich. Jene-deren-Beschreibung-nicht-genannt-werden-darf sagen doch selbst von sich, dass der Mensch biologisch ein Allesfresser ist und Fleisch gehört ja zu alles. Also jetzt nicht ALLES alles. Bei natürlicher B12-Versorgung durch Eigen-Enddarm-Produktion werden sie dann auch wieder mäkelig, aber Fleisch zählt ja mit rein. … Ja, ok. Aber omnivor bedeutet doch genau dasselbe und sie nennen sich doch selbst auch so. Was war noch mal das politisch korrekte Wort? Wie wäre es mit: Menschen die Körperteile empfindungsfähiger Lebewesen vertilgen müssen, um ihr Leben genießen zu können? Das hat er jedenfalls so geäußert. Ja, stimmt schon: bisschen sperrig das Ganze. Aber vielleicht klingt das auf lateinisch total wissenschaftlich … Ja, ich auch nicht.

Jedenfalls haben meine Studien etwas Bemerkenswertes ergeben, liebes Tagebuch: Das funktioniert nicht mal: Diese Lebensfreude durch Organverzehr. Ja für die organdefizitierten Lebewesen sowieso nicht, aber um die geht’s ja eh nicht. Fleischkonsum verursacht Todessehnsucht! … Doch! Echt wahr! Das hat meine Studie ergeben. … Natürlich ist das eine ECHTE Studie, Tagebuch! Da wurde doch letztens so eine Umfrage gemacht, wo rauskam, dass Veggies total depressiv sind. Nein, die anderen Veggies: Vegetarier und Veganer. Gemüse neigt eher selten zu Stimmungsschwankungen. Es wird langsam langweilig, Tagebuch! Immer wieder fängst du mit deinen Pflanzengefühlen an. Und dann wunderst du dich, dass man dich nicht ernst nehmen kann. Darf ich dann wieder? Danke!

Bemerkenswert an der Umfrage war jedenfalls, dass keine Veganer und Vegetarier für die Herleitung dieser Schlussfolgerung benötigt wurden. Von den Befragten waren nur 0,8 % Vegetarier und 0,2 % Veganer. Da hat man kurzerhand aus den anderen Gruppen ein paar zu Vegetariern erklärt.Das muss dann wohl etwa so abgelaufen sein:
„Hast du schon mal keine Tierprodukte gegessen?“ „Naja, wenn ich schlafe dann esse ich auch nicht, außerdem hatte ich gestern einen Apf…“ „Perfekt! Du bist also Veganer.“ „Äh, was?“ „Oh, du bist verwirrt. Das macht dich bestimmt traurig, nicht wahr? Veganer sind also verwirrt und depressiv.“ Das war jedenfalls eine diffuse Umfrage, aber Studie klingt einfach seriöser. Und wenn das eine Studie ist, dann ist das was ich tue auch eine.

Also wie gesagt, meine Studie belegt: Fleischkonsum löscht den Lebenswillen aus. … Das ist überhaupt nicht polemisch. Und Schwachsinn schon mal gar nicht. Das ist deduktive Logik. Wenn man es nicht besser wüsste, hätte man fast den Eindruck, dass diese Menschen für ihre Fleischgier sogar ihr eigenes Lebensrecht aufgeben. Oder wie ließe es sich sonst erklären, dass so viele Fleischesser nicht besonders an ihrem Leben zu hängen scheinen und geradezu darauf zu hoffen scheinen, von einem Raubtier verspeist zu werden? Die finden es nämlich total schade, dass wir hier keine Wölfe und Bären haben. Sie hätten überhaupt kein Problem damit, von denen gefressen zu werden und deshalb haben andere Tiere gefälligst auch kein Problem damit zu haben, von ihnen verspeist zu werden. Sie beschweren sich immer, dass man ihnen angeblich die Meinung aufzwingen wolle, aber ihnen den Tod aufzuzwingen ist ok, wenn sie es dann auch dürfen. Vielleicht gilt das nur für hypothetische Bären und virtuelle Wölfe? … Keine Ahnung. Hast du eine bessere Erklärung dafür? Du willst doch nicht etwa andeuten, dass das hohles Geschwätz ist, weil die Raubtierpopulationen in der Fußgängerzone derzeit auf einem entspannend niedrigem Rekordtief liegen? Das wäre aber eine ziemlich unfaire Unterstellung, Tagebuch. Ich bin sicher, dass diese Menschen auch keine Medikamente nehmen. Schließlich ist sterben völlig natürlich und sie haben nach eigenen Bekundungen kein Problem damit, gestorben zu werden. … Nein, ich hab das gar nicht gesagt. Aber du maulst die ganze Zeit nur rum und lieferst keine besseren Erklärungen.

Ja, ich weiß auch nicht. Das Leben-und-Leben-lassen-Mantra passt da auch wieder nicht rein. Ich arbeite noch an den Feinheiten. Bisschen widersprüchlich sind die Ergebnisse ja schon. Aber ich habe eine These. Das könnte was mit der Quantenmechanik zu tun haben. Ja, ich weiß dass es viele Trottel gibt, die einfach mal von Quanten faseln wenn sie was verkaufen wollen, was wissenschaftlich keinerlei Wirksamkeit oder Wirkungsweise zeigt, aber bei mir ist das ganz anders. Ich habe eine saubere Theorie: Du kennst doch Schrödingers Katze. … Schrödingers Katze! Nein, nicht der Schmiedel von nebenan. Außerdem hat der nur einen Hund. Das war keine echte Katze. In der Quantenwelt können Teilchen in verschiedenen Zuständen gleichzeitig existieren: Gleichzeitig radioaktiv zerfallen und nicht zerfallen. Man nennt das Superposition. Erst durch’s Messen wird tatsächlich ein Zustand eingenommen. … Jaja, ich komm’ ja gleich drauf! Wenn man das also hypothetisch auf eine Katze überträgt, ist sie beispielsweise gleichzeitig lebendig und tot bis jemand nachsieht.

Ich nenne das dann jedenfalls analog dazu „Supermeinung“. Solange keiner nachfragt, werden beide gegensätzlichen Meinungen gleichzeitig vertreten. Ich habe also gerade ein völlig neues Gebiet der Wissenschaft erschlossen: Quantenrhetorik! … Nein, das ist überhaupt nicht bescheuert. Das ist Wissenschaft. Du verstehst nur einfach nichts von Quanten und Zeug! … Und du bist doch nur ein billiges literarisches Konstrukt, mit dem ich über mein lyrisches Ich platte Polemik formulieren kann, um damit durchzukommen. … Ach, ja? Und deine Mutter war ein Stapel Altpapier aus Bildzeitungen, du Hitler-Tagebuch. …Nein, dass heißt nicht, dass ICH Hitler bin! Ich muss mich von meinem eigenen Tagebuch hier nicht beleidigen lassen. Ich werde dir dann einfach ein paar Penisbilder reinmalen und dann werden wir sehen wer heult.

Dank Veganern: Endlich Opfer!
Das Vegan-Nazi-Paradoxon