Hey Veganer, auf einer einsamen Insel würdet ihr auch Fleisch essen!

Transkript

„Die Feuerwehr ist inkonsequenter Unsinn, weil Feuerwehrleute gar keine mehr sein könnten, wenn sie auf einer einsamen Insel stranden würden.“

So ein Argument würde wohl jeder zurecht für absurd halten. Aber wenn es um Veganer geht, erscheinen manchen Menschen auch solche an den Haaren herbeigezogenen Szenarien mit einer so ausgesprochen seltsamen Logik wie sinnvolle Argumente.
Ein ganz klassisches und immer wieder auftauchendes antiveganes Argument ist nämlich, dass Veganer, wenn sie auf einer einsamen Insel stranden würden, auch Fleisch essen würden. Und damit begründet man dann, dass Veganismus inkonsequenter Unsinn ist. Gedankenexperimente zur Überprüfung der eigenen Überzeugungen sind gut und wichtig.
Aber natürlich müssen die auch logisch und sinnvoll sein und nicht mit falschen Schlüssen an der Realität vorbeiargumentieren, wie in diesem Beispiel

Das ist, als würde man montags blau machen und das vor dem Chef damit rechtfertigen, dass man doch auch frei hätte, wenn Sonntag wäre.
Der ganz einfache entscheidende Unterschied dabei ist natürlich: Montag ist nicht Sonntag. Und wir leben nicht auf einsamen Inseln.
Ethik ist der Diskurs über Moralphilosophie, und Moralphilosophie sagt uns, welches Verhalten wir unter gegebenen Umständen als richtig erachten würden. Man kann nicht einfach die Umstände ändern und dann daraus schlussfolgern, dass die Moral für die vorherigen anderen Umstände unsinnig wäre. Mit der Axt die Haustür fremder Leute einzuschlagen, ist nach gängigen Moralvorstellungen erst mal falsch. Aber wenn die Situation eine andere ist, weil das Haus brennt, dann ist es richtig und völlig gerechtfertigt, die Tür mit der Axt einzuschlagen, um im Haus eingeschlossene Menschen zu retten. Und das liegt eben daran, dass sich die Bewertung einer Handlung an den Umständen orientiert.
Man kann nicht einfach auf so ein hypothetisches Grenzfallszenario und das vermutliche Verhalten unter den entsprechenden Umständen zu verweisen, um damit alltägliches Verhalten unter völlig anderen Bedingungen zu kritisieren oder zu rechtfertigen. Unter extremen Gegebenheiten können noch ganz andere Dinge unmöglich werden. Es ist auch denkbar, dass man in einer Extremsituation zum Schutz des eigenen Lebens andere Menschen bestehlen, töten oder vielleicht sogar essen muss.
Aber daraus folgt doch nicht, dass Diebstahl, Mord und Kannibalismus immer und für jeden legitim sein müssten, und Menschenrechte und Demokratie ein inkonsequenter Trend von naiven Wohlstands-Gutmenschen sind.
Unter extremen Bedingungen würden sicherlich die meisten Veganer auch Tierprodukte essen um nicht zu verhungern. Aber das ist keine Argument, das einem irgendwie weiterhilft. Es ist etwas völlig anderes, ob man Leid zufügt und tötet, weil man zum Überleben keine andere Wahl hat oder ob man Leid zufügt und tötet, weil man das -bzw. das Ergebnis dieser Handlungen- gerade so will.

Wenn man zum Kritisieren des Veganismus auf solche weit hergeholten und nicht wirklich relevanten Phantasie-Szenarien zurückgreifen muss, ist das ein starkes Indiz dafür, dass man für’s Hier und Jetzt keine guten Argumente dagegen hat und seinen Standpunkt mal überdenken sollte.

Statt sich Gedanken darüber zu machen, welche vermeintlichen „Trends“ unter Extremsituationen wegfallen können, sollte man sich Gedanken machen, wieso man im Hier und Jetzt nicht den „jetzigen“ Umständen entsprechend handelt. So wie man es ja in allen anderen Belangen vermutlich auch tut.

Im Gegensatz zu Fragen über imaginäre Inseln voller ungenießbarer Pflanzen und leckerer Tiere, ist nämlich eine andere Frage tatsächlich wichtig:
Wenn man auf einem Planeten lebt, auf dem ein ernsthaftes, bedrohliches Klimawandelproblem existiert, welches man mit einer unproblematisch Veränderung der Essgewohnheiten hin zu einer pflanzlichen Ernährung stark entschärfen könnte, und durch welche man zudem soziale Ungerechtigkeit, Umweltzerstörung, die Entstehung antibiotikaresistenter Keime und Tierleid deutlich reduzieren könnte, würde man dann trotzdem weiter Tierprodukte konsumieren, weil’s halt schmeckt?
Diese Frage ist im Gegensatz zum Inselszenario aber nicht extrem unwahrscheinlich, unrealistisch und hypothetisch, sondern eine, deren Antwort tatsächlich Einfluss auf große, reale Probleme hat.

Hey Veganer, Veganismus ist eine Ideologie!
Hey Veganer, Fleisch essen ist legal!