Hey Veganer, Weidefleisch ist tier- und umweltfreundlicher.

Transkript

Heutzutage gibt es kaum noch eine Veganismus-Diskussion in der nicht irgendwer Weidefleisch erwähnt. Das Argument besteht dabei grob aus bis zu drei Teilen. Zum Einen wird Weidehaltung als tierfreundlicher als Massentierhaltung gesehen, was in der Regel schon so ist, wenn man in “Töten” und “freundlich sein” jetzt keinen Widerspruch sieht.
Dann wird argumentiert, dass Weidehaltung nachhaltiger und umweltfreundlicher ist als der Anbau pflanzlicher Nahrungsmittel.
Und es wird behauptet, dass durch den Anbau von Pflanzen auf dem Acker angeblich mehr Tiere wie beispielsweise Mäuse vom Mähdrescher getötet werden als bei der Produktion von Weidefleisch.

Leider ist es richtig, dass man nicht leben kann, ohne Schaden anzurichten. Und auch so manche pflanzlichen Lebensmittel sind diesbezüglich ziemlich übel. Aber statt zu versuchen, dann so wenig Schaden wie möglich anzurichten, sehen viele Menschen das als ein Argument dafür, dass man also beliebig Schaden anrichten kann und dass das alles das gleiche ist und das Veganismus eh Blödsinn ist, weil man ohnehin niemals 100% perfekt sein kann. Immerhin basiert das das Weidefleischargument augenscheinlich erst mal nicht nicht auf dieser Prämisse und es dreht sich um die Frage, womit tatsächlich weniger Schaden angerichtet wird. Sicherlich wird in den seltensten Fällen ergebnisoffen zu Diskussion gestellt, ob das denn wirklich so ist. Sondern das Argument soll zeigen, dass Fleischkonsum die ethisch und ökologisch bessere Ernährung darstellt als der Veganismus -oder zumindest keine schlechtere. Und vielen scheint es dabei auch zu reichen, dass ethisch überlegenes Weidefleisch existiert oder existieren könnte um das mehr oder weniger unbewusst aufs Fleischessen allgemein zu übertragen und um dann weiter weitgehend BELIEBIGE Tierprodukte zu konsumieren.
Zunächst muss man sagen, dass man diese Behauptung so sicher und kategorisch nicht treffen kann. Natürlich werden leider beispielsweise auch beim Anbau von Getreide Tiere getötet. Und es nicht unmöglich, dass ein super schonend produziertes Bio-Weide-Tierprodukt weniger Schaden anrichtet, als ein konventionell produziertes pflanzliches, wie etwa in drei Schichten Alu und Plastik verpacktes Flugobst das um die halbe Welt geschickt wurde. Und oft wird ja in der Argumentation davon ausgegangen, dass Veganer eh fast nur sowas essen und man selbst eben nur das viel bessere regionale Weidefleisch. Viel redlicher wäre es aber, würde man dieses auch mit entsprechenden Produkten wie handgepflückte regionale Äpfel von Streuobstwiesen vergleichen, wo es dann schon wieder anders aussieht. Und wenn es tatsächlich um Leidverminderung ginge, würde man dann dieses Obst dem Rind vorziehen.

In der Praxis ist Veganismus nahezu immer die bessere Option. Ob das in diesen nur begrenzt möglichen Sonderfällen aber dann wirklich mal anders ist, ist anhand der unklaren Datenlage jedoch alles andere als so eindeutig, wie es in gewissen hartnäckigen Artikeln oft sehr reißerisch behauptet wird. Es kann unter gewissen Umständen durchaus so sein. Es sprechen allerdings auch eine ganze Reihe von Faktoren dagegen:

Die meisten Rinder die von Gründland gefüttert werden, stehen gar nicht direkt auf der Weide und wenn dann nur einen Teil des Jahres. Sie bekommen daher riesige Mengen gemähtes Gras oder Heu.
Ein Rind frisst knapp 23kg Heu oder etwa 130kg frisches Gras pro Tag. Das sind also enorme Mengen, die mit dem Mähdrescher geerntet werden.
Dazu kommt noch Stroh, mit dem oft die Ställe ausgelegt werden.
Zudem müsste man an Tierprodukten praktisch ausschließlich Weidefleisch und Weidemilch konsumieren. Fast alle anderen Tierprodukte sind um ein vielfaches schädlicher und würden die Gesamtbilanz ganz schnell wieder umkehren wenn man ansonsten nicht praktisch vegan leben würde.

Man wird ja meist schon genervt und ratlos angesehen, wenn man in der Gastro oder beim Einkaufen nach etwas veganem fragt. Versucht mal ausdrücklich -fast egal wo -grasgefüttertes Weidefleisch zu verlangen und konsequent auch nichts anderes zu essen.
Viele Weiden wurden auch erst durch die Zerstörung bestehender Ökosysteme wie beispielsweise der Rodung von Wäldern geschaffen wodurch ebenfalls Schaden an Tieren verursacht wurde. Außerdem werden auch Raubtiere wie Wölfe getötet um die Weidetiere zu schützen. Auch sowas muss man mit einrechnen.

Die Nutzung als Weideland funktioniert zudem auch nur, wenn die Tiere das auch vertragen. Die heutigen Turbo-Hochleistungsrinder können nämlich oft gar nicht mehr von Gras allein oder ein paar Steppengewächsen leben, und würden ohne das Zufüttern von Kraftfutter aufgrund ihres hochgezüchteten Stoffwechsels krepieren. Selbst bei den besten Biokühen besteht die Nahrung zu einem nicht unerheblichen Teil aus Kraftfutter. Dadurch ist selbst bei vermeintlicher Weidehaltung meist noch der Anbau von Kraftfutter auf Ackerflächen nötig, wodurch dort also auch das verursacht wird, was man Veganern vorwirft. -zusätzlich dann noch zum Töten der Rinder.
Die alten Rassen, die mit Gras allein auskommen, bringen dann aber viel geringere Erträge als ihre überzüchteten Nachfahren. Auch die Leistung von Milchkühen sinkt bei Weidehaltung. Um gleich viel Milch zu erzeugen, müsste man den Bestand vergrößern, was zu erhöhten Umweltschäden führen würde.
Denn auch durch die allgemeinen Umweltauswirkungen der Weidehaltungen kommen noch diverse indirekte und längerfristige Schäden an Umwelt und Lebewesen hinzu. Entgegen seinem Ruf hat Weidefleisch viel gravierendere Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima als die allermeisten pflanzlichen Lebensmittel.

Man produziert jedenfalls nicht Fleisch für 7,5 Milliarden Menschen, indem man ein paar glückliche Kühe auf irgendwelche Bergwiesen stellt. Der aktuelle “Bedarf” an tierischen Produkten ist ohne Massenhaltung gar nicht zu decken. Sollte man durch Zufall zu der privilegierten Elite gehören, die wirklich nur Weidefleisch beziehen, dann funktioniert das global gesehen nur, weil man davon profitiert, dass die allermeisten der anderen Fleischesser das nicht tun und Fleisch aus Intensivtierhaltung essen.
Hinzu kommt, dass von den 60 kg Fleisch die ein Deutscher pro Jahr konsumiert, nur etwa 10kg Rindfleisch sind. Mit dem Weidefleischargument überhöht man einen Teilaspekt und blendet den Großteil von dem was wir wirklich essen aus.
Umgerechnet stammen gerade einmal 8 % des Fleisches und 12 % der Milch von Tieren aus der Weidehaltung – das ist im Verhältnis zum Flächenbedarf der Weidehaltung ein sehr geringer Anteil. Von ca. 750 Mio jährlich in Deutschland geschlachteten Tieren sind 620 Mio Hühner und 60 Mio Schweine. Das sind alles keine Weidetiere.
Das zellulosehaltige Gras kann nun mal nur von Wiederkäuern effizient verwertet werden. Schweine können mit Gras nur sehr begrenzt etwas anfangen, Gänse, Enten oder Puten praktisch gar nichts. -was wohl auch der Grund dafür ist, warum man so schwer an Weideeier rankommt. Diese Tiere bekommen jedenfalls vorwiegend hochwertiges Soja, Mais und Getreide, was alles nicht auf Weideland wächst, sondern auf denselben Ackerflächen, auf denen man ansonsten Gemüse und Getreide anbauen könnte.
Von Wiederkäuern von denen auch nur ein geringer Teil Weiderinder sind, werden in Deutschland jedes Jahr knapp 4 Mio geschlachtet. Das ist zwar auch noch eine tragische Zahl. In Relation zu den riesigen dafür geopferten Flächen und den damit verbundenen Umweltschäden ist dieses Ergebnis aber ziemlich katastrophal.

Dass es besser ist, glückliche Tiere zu töten, ist zwar eine fragwürdige Überzeugung. Aber im Allgemeinen wird es Rindern auf der Weide natürlich besser gehen als etwa in Anbindehaltung auf Spaltenböden. Viele Menschen setzen allerdings intuitiv das, was sie für artgerecht und tierfreundlich halten, mit nachhaltig und umweltverträglich gleich. Häufig ist aber das Gegenteil der Fall. Fleisch vom Weiderind ist oft sogar umweltschädlicher als das aus der Intensivmast. Weiderinder wachsen langsamer und brauchen länger, bis sie schlachtreif sind.
Zum einen, weil sie sie sich mehr bewegen als Stalltiere und zum anderen, weil sie weniger Kraftfutter und stattdessen mehr nährstoffarmes Gras bekommen. Statt 15 Monate dauert das mehr als 20, was dazu führt, dass mehrere Monate zusätzlich Treibhausgase produzieren, darunter vor allem Methan. Das entsteht, durch anaerobe Gärungen, also wenn organisches Material unter Luftausschluss abgebaut. Ein Hausrind stößt davon täglich etwa 150 bis 250 Liter aus. Wenn Rinder Gras fressen, verdauen sie das im Gegensatz zu Getreide viel stärker mit Hilfe von Bakterien, wodurch viel mehr Methan entsteht. Im Vergleich zu einem konventionellen Rind, welches mit Getreide gefüttert wird, produziert ein Bio-Weiderind dadurch die vierfache Menge an Methan, welches um ein vielfaches klimaschädlicher ist als Kohlendioxid. )In geringenen Mengen entsteht zudem auch noch das NOCH viel klimaschädlicheres Lachgas.) Hinzu kommt, dass man davon ausgeht, dass dieser Methan-Ausstoß bis 2050 durchschnittlich um weitere 4,5 Prozent steigen könnte, da infolge des Klimawandels der Nährwert vieler Futterpflanzen sinken wird. Dieser ist in wärmeren Gegenden meist geringer. Die Rinder müssen daher mehr davon fressen, verdauen länger und erzeugen dadurch noch mehr Methan, welches für eine weitere Erwärmung sorgt. Das ist also wieder mal ein Teufelskreis.

Nur 24 % des Rindfleisches stammen weltweit aus Weidehaltung und DAVON nur ca. 7 % aus extensiver Haltung, also aus einer schonenden Bewirtschaftung von Äckern und Weiden, bei der nur wenige Tiere auf großer Fläche existieren und wovon viele Tier- und Pflanzenarten profitieren. Intensiv bewirtschaftete landwirtschaftliche Flächen können hingegen sehr umweltschädlich sein: Sie können Biotope stören, Böden und Grundwasser belasten und die Ökologie von Gewässern mit dem Eintrag von Stickstoff und Phosphor schädigen. Eutrophierung nennt man das. Es kommt zu Überweidung und Bodenverdichtung oder Verschlämmung durch zu hohe Besatzdichten beziehungsweise durch das Weiden lassen auf feuchten Böden. In Europa zeigen bereits 45 Prozent der Böden Qualitätsverluste.
Ein Großteil der Tierprodukte entsteht durch die sehr INTENSIVE Nutzung von Dauergrünland und durch die Nutzung von Ackerflächen, auf denen man auch pflanzliche Nahrungsmittel produzieren könnte. Tendenz steigend.

Gras in Fleisch zu konvertieren verursacht immense Emissionen an Treibhausgasen. Und auch im Hinblick auf Versauerung oder Überdüngung ist die Produktion tierischer Lebensmittel sehr viel schädlicher. Der Großteil der Agrarflächen wird für Rinderfutter verwendet. Aber nur 1,34% unserer weltweiten Kalorien stammen aus Rindfleisch.
Mit Nachhaltigkeit hat das alles wenig zu tun, denn gerade der Klimawandel ist so ziemlich das teuerste und größte Problem unserer Zeit. Und auch wenn Veganismus alleine die Welt nicht rettet, würde eine pflanzliche Ernährung ein gutes Stück dazu beitragen, diese Bedrohung abzuschwächen.
Und wenn es wirklich um die Verminderung Tierleid gehen sollte, dann sucht man nicht nach dem vermeintlich tierfreundlichsten Fleisch sondern nach dem tierfeundlichsten Nahrungsmittel. Und das ist dann kein Fleisch.

Hey Veganer, man kann nicht 100% vegan leben.
Hey Veganer, auf vielen Agrarflächen kann man nur Viehfutter anbauen.