Hey Veganer, Fleisch hat uns intelligent gemacht!

Transkript

Zur Rechtfertigung des Fleischessens wird oft argumentiert, dass Fleisch für unser Hirnwachstum verantwortlich war.
Die Frage warum Menschen sich so entwickelt haben, ist aber bei weitem noch nicht so eindeutig geklärt wie viele Menschen das wohl glauben und wird leider oft extrem vereinfacht beantwortet. Meist eben damit, dass es am Fleischessen lag. Inzwischen gehen auch viele Wissenschaftler zunehmend davon aus, dass Jagd und Fleischkonsum für die Evolution des Homo sapiens weit weniger wichtig gewesen sind, als oft angenommen.

Wenn Fleischkonsum allein ein entscheidender Faktor gewesen wäre, wären wohl die Krokodile die die dominante Spezies. Aber deren Hirne sind vergleichsweise klein obwohl sie ausschließlich Fleisch fressen. Und auch viele Dinosaurier waren reine Fleischfresser und existierten für hunderte Millionen Jahre ohne eine Intelligenz wie die unsere zu entwickeln. Hingegen gelten manche pflanzenfressende Spezies wie Gorillas oder Elefanten als besonders intelligent. Neandertaler haben nach unserem Wissen wesentlich mehr Fleisch gegessen als unsere direkten Vorfahren. Dennoch gibt es keinen Hinweis darauf dass sie intelligenter waren. Jedenfalls sind sie ausgestorben.
Es gab wohl zahlreiche Ursachen dafür, dass das menschliche Hirn leistungsfähiger wurde. Zunächst mal muss dafür natürlich eine Notwendigkeit und Nützlichkeit bestehen. Die Evolution sortiert nutzlose Fähigkeiten aus. Wir bilden uns viel auf unsere Intelligenz ein aber Intelligenz ist -vielleicht muss man sagen leider- längst nicht immer ein Wettbewerbsvorteil. Sie ist nicht das Ziel der Evolution und sie ist auch nicht die Trophäe des Siegers. Die Notwendigkeit für mehr Hirnleistung ergab sich wohl unter anderem aus den den komplexen Sozialstrukturen unserer Vorfahren die dies erforderlich machten bzw. die davon profitierten. Beispielsweise erlangte man durch Tauschhandel und komplexe Zusammenarbeit deutliche Vorteile für die gesamte Gruppe. Aber dazu muss man sich unter anderem auch merken, welches Gruppenmitglied etwa ein Faulpelz oder beim Tauschen unfair ist.
Auch Großmütter könnten dabei eine entscheidende Rolle gespielt haben. Der Mensch ist nämlich das einzige Tier deren Weibchen so etwas wie Wechseljahre haben. Dadurch gibt es bei Menschen die Großmütter die sich selbst nicht mehr fortpflanzen aber dafür beispielsweise Nahrung beschaffen konnten und auf den Nachwuchs aufpassten. Diese speziellen und komplexen sozialen Strukturen sind laut einer These ein entscheidender Grund dafür gewesen, dass unser geistige Leistungsfähigkeit zugenommen hat. Speziell bei größeren Gruppen ist dafür eine beträchtliche Hirnleistung erforderlich.

Ein weiterer Aspekt der hohe Hirnleistung belohnte, waren die schnellen Wechsel in Lebensbedingungen die beispielsweise durch rapiden Klimawandel verursacht wurden. Oder anders ausgedrückt: Menschen haben sich entwickelt um mit Unsicherheiten umgehen zu können.
Was uns zudem von anderen Affenarten unterscheidet und was unsere Evolution wahrscheinlich maßgeblich beeinflusst hat, ist unser Speichel. Dieser, sowie das Sekret der Bauchspeicheldrüse enthalten das Enzym Amylase. Das Gen für diese Substanz kommt beim Menschen in mehrfacher Ausführung vor und die Kopien sind auch sehr alt. Amylase verbessert die Verdauung von Stärke beträchtlich. Dank dieser kann der Mensch heute beispielsweise sogar Kartoffeln enzymatisch aufspalten. Und stärkehaltige Lebensmittel sind oft deutlich länger haltbar als Fleisch. Zusammen mit der Erfindung des Kochens war das möglicherweise ausschlaggebend oder zumindest ein wichtiger Punkt für das starke Wachstum des Gehirns und hat zur schnellen geografischen Ausbreitung der Menschen beigetragen, denn die kontrollierte Nutzung des Feuers war etwas, was bis dahin nicht existierte und was bei der Entwicklung des Menschen eine wichtige, wen nicht gar die wichtigste Rolle gespielt haben dürfte. Die Nutzbarmachung des Feuers verschaffte uns viele Vorteile wie die Möglichkeit viele potentielle Nahrungsmittel zu garen und damit wesentlich effektiver verdauen zu können. Ein Großteil der Körperenergie die durch Verdauung „verbraucht“ wurde, konnte dadurch eingespart werden und stand für das Gehirn zur Verfügung.
Dass wir auch Fleisch verwerten konnten, kann uns durchaus das Überleben ermöglicht haben und es ist möglich, dass durch zusätzliche Energie, Reserven für unser Gehirn zur Verfügung standen. Manche Wissenschaftler gehen davon aus, dass das Fett eine Rolle gespielt haben könnte. Für den hohen Energiebedarf des Gehirns benötigt man Glucose. Neuronen sind im Gegensatz zu anderen Zellen ausschließlich auf Glukose und Sauerstoff angewiesen aber sie haben einen doppelt so hohen Energiebedarf. Glucose kommt aber hauptsächlich in Pflanzen vor. Fett kann der Körper im Bedarfsfall unter hohem Energieaufwand zu Glucose umbauen. Das ist aber mit anteilmäßigen 6% extrem ineffizient und verlustreich. Allerdings lässt sich Fett besser speichern als Glucose. In diesem Zusammenhang hat wohl auch der aufrechte Gang eine große Rolle gespielt. Dadurch konnten Menschen Fett besser ANLAGERN als andere Tiere und damit mehr Energie speichern. Fett selbst verbraucht wenig Energie, ist aber hinderlich bei der Fortbewegung. Beim aufrechten Gang allerdings deutlich weniger. Aber der aufrechte Gang brachte natürlich noch andere Vorteile. Vor allem hatten die Menschen dadurch auch die Hände frei. Das ermöglichte unter anderem die Nutzung von Werkzeugen was viele Vorteile brachte aber auch eine höhere Hirnleistung begünstige wodurch sich Werkzeugnutzung und Intelligenz vermutlich gegenseitig verstärkten. Die koordinierte Jagd könnte dementsprechend ebenfalls dazu beigetragen haben, aber nicht unbedingt nur, weil man dadurch am Ende Fleisch erhält, sondern weil die intelligente Koordination unter den Jägern einen Wettbewerbsvorteil darstellen kann und die Erfolgsaussichten erhöht. Daraus kann man aber auch nicht automatisch schließen dass der KONSUM von Fleisch direkt zum Wachsen des Gehirns führt, da auch der Vorgang des Jagens zur Entwicklung beigetragen hätte und nicht unbedingt nur der Verzehr des Erjagten selbst. Das Eiweiß im Fleisch wird oft auch zum alleinigen Auslöser unseres Hirnwachstums erklärt. Es könnte auch eine Rolle gespielt haben. Aber ob es eine absolut notwendige Rolle war, ist zumindest umstritten.
Es ist wohl so, dass sich viele Faktoren gegenseitig bedingt haben aber Korellation bedeutetet nicht Kausalität. Das heißt, man kann nicht einfach ein Ereignis zur Ursache erklären und ein anderes zur Wirkung nur weil die beiden gemeinsam oder zeitnah auftreten. Dass der Mensch auch Fleisch gefressen hat, ist wohl zumindest AUCH ein Resultat -weil er es aufgrund seines Hirns kann -und nicht einfach so monokausal die Ursache für unser Hirnwachstum. Dass der Mensch zum Jagen auf Waffen zurückgreifen muss, liegt daran dass er rein physiologisch betrachtet in erster Linie einem Frugivoren, also einem Fruchtfresser entspricht. Darauf deutet unter anderem auch die Tatsache hin, dass Menschen die Fähigkeit Vitamin C zu produzieren verloren haben. Dies kann evolutionär nur geschehen wenn diese überflüssig wird, was wiederum bedeutet, wir müssen es in ausreichenden Mengen regelmäßig aufgenommen haben. Da Vitamin C aber hauptsächlich in Pflanzen vorkommt und der Mensch einen recht hohen Bedarf hat, kann man daraus schließen dass wir im Wesentlichen große Mengen von Pflanzen gefressen haben. Fleischfresser und auch die meisten anderen Tiere können, im Gegensatz zu uns Vitamin C selbst bilden. Der Mensch hat durchaus die Möglichkeit auch Fleisch zu verwerten und dass unsere Vorfahren waren wohl auch keine Vegetarier. Sie haben alles genutzt, was ihnen Vorteile brachte und das Überleben ermöglichte. Aber etwas zu können, heißt nicht, es zu müssen oder – unter ethischen Gesichtspunkten: es zu dürfen. Zudem waren Frühmenschen weltweit verbreitet und lebten in sehr unterschiedlichen Habitaten mit sehr unterschiedlichen Nahrungsangeboten. Manche lebten sehr fleischlastig, andere wohl praktisch vegetarisch. Ein Vorteil des Menschen war eben seine Anpassungsfähigkeit.
Eine kognitive Leistungsfähigkeit wie die unsere gab es bis dahin noch nicht. Aus EINEM Messwert kann man aber keine Statistik machen und auch keine sinnvolle Prognose für die Zukunft, speziell dann nicht wenn die Situation eine völlig andere ist. Es wäre wohl ziemlich gewagt, zu behaupten, dass ein Hirnwachstum wie das unsere nur mit Fleisch passieren kann weil es in dem einen und ersten Fall eben möglicherweise damit in Verbindung stand. Und wer sagt, dass eine andere Spezies an unserer Stelle nicht vielleicht sogar wesentlich weniger dumme Dinge tut, denn wenn man sich umsieht was unsere Spezies anstellt, und wie skrupellos wir mit unseren Mitlebewesen und unserer eigenen Lebensgrundlage umgehen, dann muss man sich doch wirklich fragen ob ein Außenstehender so etwas intelligent nennen würde.

Nun sind die möglichen Ursachen für unsere Intelligenz vielleicht sehr interessant aber es spielt in diesem Zusammenhang nicht wirklich eine Rolle. Selbst wenn es so gewesen sein sollte, dass der Fleischkonsum entscheidend zum Wachstum des menschlichen Hirns beigetragen hat, kann man daraus nicht einfach Handlungsweisen für uns ableiten und ethisch rechtfertigen.
Wenn man das tut, handelt sich um einen naturalistischen Fehlschluss: Weil es zu einer Handlung äquivalente Verhaltensweisen in der Natur gibt, folgt daraus keineswegs das dieses Verhalten automatisch ethisch gerechtfertigt ist, zumal wir viele anderen unnatürlichen Dinge ablehnen oder unethisch finden. Eine durchschnittliche Lebenserwartung von 30 Jahren und eine hohe Kindersterblichkeit waren für unsere Vorfahren völlig natürlich. Trotzdem protestiert niemand, dass unsere derzeitige Lebenserwartung von 80 Jahren unnatürlich hoch sei und das so schrecklich viele Kinder ihr erstes Lebensjahr überleben. Ebenso wenig lässt sich eine Handlung ohne weiteres damit rechtfertigen, dass das schon immer so gemacht wurde oder dass es uns unter bestimmten Umständen vielleicht Vorteile brachte. Und wenn man sich darauf beruft, dass unsere Vorfahren früher wohl Fleisch gegessen haben, ist es zudem recht unredlich dann doch wieder wählerisch zu sein und selbst zu bestimmen. Diese aßen schließlich nicht nur das Muskelfleisch, sondern insbesondere auch rohe Innereien und von Raubtieren übrig gelassene Kadaver bei denen man das Mark aus den Knochen kratzen konnte. Die Großwildjagd hat nach aktuellem Kenntnisstand wohl nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Wichtiger waren wohl Tiere wie Frösche, Schnecken, Würmer. Aas vertragen wir nicht gut aber vor allem die Maden aus Aas sollen wohl für unsere Vorfahren eine nicht unerhebliche Nahrungsquelle gewesen sein.

Wir leben aber jetzt unter fundamental anderen Bedingungen. Es ist nicht sinnvoll das alles aufs Hier und Jetzt zu übertragen, denn wir haben uns bereits so entwickelt, und werden uns durch das Weglassen von Fleisch nicht zurückentwickeln, oder durch vermehrtes Fleischessen klüger werden. So funktioniert Evolution nicht. Schon gar nicht beim Menschen der sich von der natürlichen Auslese ohnehin ziemlich abgekapselt hat. Zudem haben wir heute hier bei uns ganzjährig eine umfassende Nahrungsauswahl, sind auf Fleisch überhaupt nicht angewiesen und können alle benötigten Nährstoffe wie etwa Eiweiß auch aus vielen pflanzlichen Quellen beziehen. Und selbst die meisten Veganer nehmen noch deutlich mehr Eiweiß auf als benötigt und empfohlen und sind im Schnitt näher an den empfohlenen Richtwerten.
Auch das Feuer haben wir schließlich mittlerweile an fast allen Stellen durch andere bessere Dinge ersetzt obwohl es wohl damals der vielleicht wichtigste Faktor unserer Entwicklung war.
Wenn man schon stolz auf die eigene Intelligenz ist, dann sollte man diese auch sinnvoll einsetzen. Mit seinem Hirn hat der Mensch auch eine Verantwortung für seine Handlungen erhalten und kann sich nicht einfach mit Steinzeitmenschen als moralische Vorbilder rechtfertigen, wenn es gerade bequem ist. Die Technologie des 21. Jahrhunderts und eine steinzeitliche Ethik sind eine ganz schlechte Kombination.
Evolutiv erfolgreich sind auf Dauer nicht prinzipiell die stärksten, schnellsten oder klügsten. Es sind die die sich am besten an die aktuellen Umstände anpassen. Unsere sind völlig andere als die unserer Vorfahren. Darauf zu verharren, was unsere Vorfahren irgendwann mal unter völlig anderen Umständen getan haben, ist das Gegenteil von Anpassung und von Evolution. Fleischessen hat vielleicht unseren Vorfahren etwas gebracht, heute hat es fast nur noch negative Auswirkungen. Lebewesen die sich nicht ändern oder anpassen, werden früher oder später dazu gezwungen sein oder sie müssen die Konsequenzen tragen. In unserem Fall tragen die Konsequenzen leider auch noch andere. Evolution passierte nicht nur von damals bis jetzt, sondern gilt auch von heute bis morgen.
Viel wichtiger als die Frage wie der Mensch sich entwickelt hat, ist doch wohin er sich entwickeln wird und sollte. Wir sind in der einmaligen Position unsere Entwicklung selbst beeinflussen zu können. Und besonders wichtig ist für uns, uns moralisch weiterzuentwickeln. Und DIESE Evolution wird nicht durch Fleischessen zustande kommen.

Hey Veganer, Ihr seid radikal!
Hey Veganer, Ihr seid extremistisch!