Hey Veganer, ich akzeptiere eure Meinung auch!

Transkript

Als Veganer muss man ja meist nicht viel tun, damit Fleischesser sich moralisch angegriffen und in ihrer Meinung bedroht fühlen. Oft reicht dafür schon die bloße Existenz. Wenn man etwas unterlässt, weil man es unethisch findet – etwa den Verzehr von Tierprodukten – und dieses unterlassene Verhalten aber ein wichtiger Teil der Überzeugung und des Lebens eines anderen Menschen ist, dann ist man schon fast automatisch ein personifizierter Vorwurf. Und diese teils impliziten Vorwürfe werden dann oft mehr oder weniger instinktiv auch mit einer entsprechenden Gegenkritik zu kontern versucht. Relativ reflexhaft fällt die Wahl dabei meist auf den Vorwurf der Intoleranz und Respektlosigkeit. Es wird Respekt und Akzeptanz für die eigene Meinung gefordert und darauf hingewiesen, dass man als Fleischesser die Meinung von Veganern ja auch akzeptiert.

Und oberflächlich betrachtet, klingt sowas ja auch erst mal wirklich vernünftig. Aber der Vorwurf der vermeintlichen Respektlosigkeit wird oft vorgeschoben um sich als moralischer Sieger aus einer Diskussion zu verabschieden die man nicht anders gewinnen kann. Kritik an einem so grundlegenden Verhalten kann verständlicherweise sehr provokativ wirken und man versucht dann zur Verteidigung reflexartig ebenfalls etwas vermeintlich unmoralisches anzuprangern und da liegt das Kritisieren des Nichtakzeptierens anderer Meinungen ja nahe.

So einfach funktioniert das aber nicht. Ein Hauptproblem besteht darin, dass die beiden Handlungsweisen -also vegane und unvegane Ernährung – ja meist einfach als „Essverhalten“ zusammenfasst werden, als zwei vermeintlich gleichwertige Alternativen unter denen jeder Mensch frei wählen kann. Aber wenn man diese Sache weiterdenkt, zeigt sich, dass diese zwei gegensätzlichen Positionen eben trotzdem NICHT gleichwertig sind. Gewaltlosigkeit ist nicht auf einer Stufe mit Gewaltausübung. Ausbeutung ist nicht gleichwertig mit Gerechtigkeit. Sklaverei ist nicht gleichberechtigt mit dem Recht auf Freiheit. Wenn jemand gegenüber Veganern so tolerant betont, dass er deren gewaltfreie Ernährung akzeptiert, folgt daraus noch lange nicht automatisch, dass im Gegenzug seine mit Gewaltausübung verbundene Ernährung ebenso akzeptiert oder respektiert werden muss. Die Toleranz von Gewalt ist etwas anderes als die Toleranz von Gewaltfreiheit. Wenn also ein Fleischesser Veganer akzeptiert, ist das ja zunächst mal keine moralische Leistung – auch wenn Veganer oft als nervend wahrgenommen werden. Die Forderung, Gewaltausübung zu tolerieren, ist hingegen schon ziemlich viel verlangt und auf einer ganz anderen Stufe.

Es ist schon verständlich, dass man sich auf emotionaler Ebene durch solche Aussagen leicht angegriffen fühlen kann und eine Opferrolle einnimmt. Die wahren Opfer hierbei sind aber die Tiere, nicht die Menschen deren Meinung kritisiert wird. Natürlich möchte man, dass die eigene Meinung akzeptiert wird – aber Veganern geht es ja nicht primär darum, dass sie selbst und ihre Meinung akzeptiert werden, sondern die Bedürfnisse der Tiere, bei denen das eben nicht der Fall ist. Es sind nicht nur die zwei diskutierenden Parteien beteiligt. Die entscheidende dritte Partei um die es dabei eigentlich geht und die selbst keine Stimme hat, wird dabei meist ausgeblendet. Es wäre ja willkürlich zu sagen: „Du respektierst zwar Bedürfnisse, Wünsche und Rechte anderer Lebewesen nicht, aber solange du MICH respektierst, respektiere ich deine Respektlosigkeit anderen gegenüber. Das ist aber genau das, was in dieser Aussage drin steckt.

Man wäre ja beispielsweise auch zurecht empört, wenn ein Mensch der seine Kinder schlägt, argumentieren würde, dass er ja schließlich auch respektiert, dass andere ihre Kinder NICHT schlagen. Und dass man ihn also nicht verurteilen dürfe, da das intolerant wäre. Es geht bei der Angelegenheit eben nicht nur um die zwei diskutierenden Personen. Das heißt nicht, dass diese Themen – Gewalt gegen Kinder und Gewalt gegen nichtmenschliche Tiere – identisch seien, aber es heißt, dass diese Art der Argumentation nicht funktioniert weil es erstens um an der Diskussion nicht beteiligte Dritte geht und Gewalt und Gewaltfreiheit in einer zivilisierten Gesellschaft eben keine gleichwertigen Optionen sind.

Man muss nicht jede Meinung unkritisiert stehen lassen und akzeptieren. Insbesondere dann nicht, wenn diese Meinung Leid und Unterdrückung verteidigt oder ausbeuterische Handlungen zu rechtfertigen versucht. Nun kann man vielleicht der Meinung sein, dass Formen von Diskriminierung und Unterdrückung gegenüber Menschen unethisch sind, das Töten von Tieren aber aus irgendwelchen Gründen nicht, weshalb man ersteres kritisieren darf, letzteres aber akzeptieren muss. Aber damit würde man behaupten: Ich darf kritisieren, wenn du Menschenleid verursachst, aber du musst akzeptieren, wenn ich Tierleid verursache. Und wenn man das von Veganern fordert, fordert man ja, dass die eigenen moralischen Überzeugungen für diese ebenfalls zu gelten haben. Oder anders ausgedrückt, genau das was man Veganern immer vorwirft: Man will Ihnen die eigene Meinung aufzwingen. Das ist nicht grundsätzlich abzulehnen. Schließlich zwingt man auch einem Dieb seine Meinung auf, wenn man ihn davon abhält, jemand zu bestehlen. Und wir haben Gesetze die auch genau so etwas tun. Und das ist meist auch gut so. Aber wenn man der Meinung ist, dass so etwas notwendig ist, muss man das verdammt gut begründen. Beispielsweise damit dass man Leid und Unrecht damit verhindert.

Einfach nur auf die eigene Meinung zu pochen, verhindert zudem konstruktives, rationales und vor allem selbstkritisches Diskutieren.
Und andere Formen des Diskutierens sind ziemlich wertlos weil sie willkürlich sind und weil man damit auch notwendige, ethisch sinnvolle gesellschaftliche Änderungen kaum erreichen wird.

Die Vorstellung, dass alle Meinungen gleichwertig sind, ist eine verzerrte Vorstellung von Toleranz und Gleichheit. Oft wird ja schon bei streitenden Kindern ein beschwichtigendes „Alle haben ein bisschen Recht.“ vorgetragen. Manchmal ist das so. Aber wenn man das einfach behauptet ohne die Sachverhalte zu prüfen, um Streitigkeiten zu beenden, bestärkt leider die falsche, verbreitete Ansicht, dass es keine falschen oder schlechten Meinungen geben kann und dass alle Ansichten gleichermaßen gerechtfertigt sind.

Paradoxerweise vertritt man dann aber doch wieder verschiedene Ansichten davon was richtig oder falsch ist: Dass etwa das das Nichtakzeptieren anderer Meinungen falsch ist. Das ist ja ebenfalls eine Meinung von der man fordert, dass andere sich daran halten.

Solange Menschen sich das Recht herausnehmen, empfindungsfähige Lebewesen zu töten, steht anderen mindestens das Recht zu, das zu kritisieren. Mit welcher Begründung will man Veganer auffordern, nicht mehr zu kritisieren? Mit Kritik muss man umgehen können, sie prüfen und – wenn sie gerechtfertigt ist – die Konsequenzen daraus ziehen; auch wenn das heißen mag, sich von gewohnten oder anerzogenen Verhaltensweisen zu verabschieden. So einen reifen und rationalen Umgang mit Kritik einzufordern, hat nichts mit Respektlosigkeit zu tun.

Hey Veganer, wie erkennt man, dass jemand vegan ist? *lol*
Hey Veganer, Ich lasse mir nicht eure Meinung aufzwingen!