Hey Veganer, man kann nicht 100% vegan leben.

Transkript

Ärzte sind überhebliche Gutmenschen. Die halten sie sich für was besseres weil sie versuchen Menschen zu heilen. Dabei kann man eh niemals alles heilen. Und wir werden sowieso alle sterben. Außerdem sollten wird Bildung abschaffen, weil wir sowieso nicht alles wissen können. Und Verbrechensbekämpfung ist auch Unsinn, weil es Kriminalität immer geben wird…
Zum Glück sind das Aussagen die niemand für sinnvoll und vernünftig halten würde. Außer es geht um Veganer.

Wenn man Tierausbeutung kritisiert, dann kritisieren die daran beteiligten Menschen ihrerseits oft, dass man niemanden kritisieren kann, weil man selbst nicht perfekt ist…
Nach der Ansicht vieler dieser Kritiker, muss Veganismus also so eine Alles-oder-Nichts-Sache zu sein. Und weil alles nicht geht, ist Veganismus offenbar nichts. Es wird argumentiert, dass man nicht 100% vegan leben kann weil man beispielsweise beim Laufen ein Insekt zertreten könnte. Und weil man Leid nicht 100% vermeiden kann, ist es laut dieser Argumentation inkonsequent und es ist lächerlich es zu versuchen und überhaupt irgendwas zu tun und man hat deswegen auch gar nicht das Recht andere Menschen zu kritisieren.
Im Umkehrschluss steckt darin auch die Aussage, dass es KEIN Problem ist, eine Ameise zu zertreten, wenn man noch eine paar ANDERE (möglichst schmackhafte) Tiere töten lässt. Das unbeabsichtigte Töten ist nach dieser Logik also nur kritikwürdig, wenn man NICHT vorsätzlich noch mehr Tiere tötet…
Natürlich kann man beim Gehen auf der Straße leider auch auf Insekten treten. Genau so ist es uns Menschen aber auch nicht möglich so zu leben, dass nirgendwo tödliche Unfälle verursacht werden. Aber die Folge daraus ist ja nicht, dass man überhaupt nicht erst versuchen sollte Unfälle zu vermeiden oder dass man deshalb beliebig töten kann. Natürlich versuchen wir alles in unserer Macht stehende zu tun um tödliche Unfälle zu vermeiden auch wenn das niemals völlig möglich sein wird. Kein halbwegs vernünftiger Mensch würde etwas anderes fordern oder die Meinung vertreten, dass niemand mehr versuchen dürfte, irgendetwas zu verbessern solange er nicht perfekt ist.
Außer bei Veganern. Für die läuft es darauf hinaus, dass eine Aktion angeblich nur dann Sinn macht, wenn sie sofort auf jedem Gebiet perfekte Heilige werden und die Welt auf einen Schlag zum Paradies machen und zwischen dem Anprangern korrupter Politiker und dem Beschweren darüber wie erbärmlich schlecht die Mannschaft wieder gespielt hat,
fordert man von Veganern, dass jeder vor seiner eigenen Tür kehren soll…
Aber schon damit, dass man jemanden dafür rügt, dass dieser anderen etwas vorwirft, widerspricht man sich eben selbst und tut genau das, von man behauptet, dass man es nicht tun dürfe.
Wir alle kritisieren praktisch jeden Tag irgend etwas und irgendwen -und das ohne perfekt zu sein. Niemand ist perfekt. Nach dieser Argumentation dürfte nieman mehr auf der Welt sich gegen irgend etwas aussprechen was er für schlecht hält oder versuchen irgendwelche Missstände zu kritisieren.
Selbstverständlich ist das wichtig. Man muss nicht perfekt sein um Kritik zu üben. Man muss gute, berechtigte und logisch saubere Argumente dafür haben. Und das war damit schon mal keins.

Den meisten Veganern dürfte klar sein, dass man durch die eigene Existenz trotzdem leider immer gewisse Schäden verursacht. Selbst in der offiziellen Definition heißt es: „Veganismus ist eine Lebensweise, die versucht – soweit wie praktisch durchführbar – alle Formen der Ausbeutung und Grausamkeiten an leidensfähigen Tieren für Essen, Kleidung und andere Zwecke zu vermeiden […]“ Und das was praktisch durchführbar ist, wird auch versucht, immer weiter auszuweiten. Und natürlich ist das auch ein Prozess bei dem man versucht, immer noch mehr an sich zu arbeiten und und wo man wohl trotzdem niemals Perfektion erreichen wird. Aber daraus folgt doch nicht das Recht beliebig Schaden anzurichten. Dass der Anspruch, fühlenden Lebewesen nicht vorsätzlich Schaden zuzufügen einem in einer Gesellschaft in der Tierausbeutung zutiefst verwurzelt ist, nicht leicht gemacht wird, ist ein Argument gegen die Gesellschaft, nicht gegen dem Veganismus.

Das Vermeiden von Tierprodukten wird doch nicht weniger sinnvoll, wenn man nicht gleich in den Wald zieht und alles aufgibt, was irgendwie mit Zivilisation und Kultur zu tun hat. Zumal die Menschen die das erst fordern einen dann in aller Regel ohnehin als Spinner, Extremist und Sonderling abstempeln würden die man nicht ernst nehmen kann. Der Versuch auf erneuerbare Energien umzusteigen wird doch auch nicht sinnlos, weil wir das nicht sofort und überall gleichzeitig schaffen und weil die neueren Technologien sicherlich auch noch nicht einem hundertprozentigen Ideal entsprechen und insgesamt vielleicht erst mal nur ETWAS besser sind. Wir streben immer irgendwelche Veränderungen im Kleinen an, obwohl wir damit nicht alle Probleme der Welt lösen. Anders geht es nun mal nicht. Und normalerweise finden das die meisten auch einleuchtend -außer wenn es um Veganer geht.
Es ist schon sehr grotesk, dass die Bemühungen von Veganern, etwas zu verbessern ausgerechnet von Nichtveganern als inkonsequent und absurd bezeichnet werden, die ihren gleichgültigen Arsch überhaupt nicht bewegen und denen Tiere und Umwelt komplett an selbigem vorbei gehen und die dementsprechend rein gar nichts tun… Oder war das jetzt wieder militanter Veganisten-Extremismus von Fanatikern für die nur ihr Veganismus zählt und die gar nicht interessiert dass andere den Müll trennen, Rad fahren, Bio kaufen und Energiesparlampen verwenden?
Nur… Warum sollte man das alles tun? Nach der eigenen Fleischlogik ist das doch alles völlig bescheuert und heuchlerisch, wenn man das nicht absolut perfekt macht und nicht nackt und ohne Strom in einer Höhle lebt so wie man es von Veganern verlangt.

Selbstverständlich gibt es noch viele andere Baustellen wo man Leid, Umweltzerstörung und Ungerechtigkeiten verhindern müsste und man kann davon ausgehen, dass Veganer ganz allgemein auch stärker für andere sozialen Probleme sensibilisiert sind. Der zweite Teile der offiziellen Definition des Veganismus lautet nämlich: „und darüber hinaus die Entwicklung tierfreier Alternativen zu fördern, was Menschen, Tieren und der Umwelt zum Vorteil gereichen soll.“ Denn Tierprodukte sind auch ökologisch katastrophal und gefährden damit unser aller Zukunft. Aber die meisten Menschen scheinen von so etwas einfachem wie „Iss einfach was anderes das uns nicht alle umbringt.“ schon völlig überfordert. Da muss Veganismus auch für normale Menschen erst mal ein halbwegs realistisches Ziel sein. Und diese eigenartige Forderung nach absoluter Vollkommenheit oder gar nichts, ist nichts, was irgendetwas auf der Welt verbessert -abgesehen von der eigenen Bequemlichkeit.

Auch wenn eine vegane Welt das Ideal sein sollte: Unter den aktuellen Umständen bewirken zwei Menschen die ihren Konsum von Tierprodukten WIRKLICH halbieren rein rechnerisch erst mal die gleichen Verbesserungen wie einer der ihn ganz einstellt. Dass man sofort alles aufgeben muss, was nicht einem völlig unrealistischen Ideal entspricht, wenn man beschließt, möglichst keine Tiere mehr vorsätzlich für die eigene Genusssucht leiden und töten zu lassen und dass man sich am besten umbringen sollte um gar keine Schaden mehr anzurichten sind Forderungen, die einen extremen Doppelstandard darstellen im Bezug darauf, welche Ansprüche man an sich selbst und an andere stellt. Und es zeigt auch wieder ziemlich eindringlich mit welcher… „Vehemenz“ manche Fleischesser ihr vermeintliches Recht auf Gewaltausübung für den eigenen Genuss verteidigen wollen, selbst wenn die katastrophalen Folgen dieser Besessenheit mittlerweile längst keine veganen Insider-Infos mehr sind.

Man könnte dieses Argument noch viel weiter treiben und argumentieren, dass Wasser nicht vegan ist, weil in Klärwerken unter Umständen Fische benutzt werden um die Wasserqualität zu prüfen. Und selbst wenn nicht, würde man durchs Bezahlen der Wasserrechnung den Lohn von Wasserwerksmitarbeiter mitfinanzieren welche dann davon unvegane Nahrungsmittel kaufen würden. Und selbst wenn man nur Regenwasser trinken würde, kann man IMMER irgendwas finden, was auf irgend eine Art nicht so richtig vegan ist. Die Gefahr auf Insekten zu treten besteht eben immer. Und wir leben in einer Gesellschaft in der wir extrem voneinander abhängig und miteinernander vernetzt sind und in der man alleine nun mal meist nicht viel bewirken kann. Ganz besonders wenn man sich komplett aus der Gesellschaft entfernt um um jeden Preis ein völlig unrealistisches Ideal zu erreichen so wie es manche Menschen offenbar verlangen, sobald man an einer Stelle etwas verbessern will, an der es ihnen unbequem ist.

Nicht alle pflanzlichen Produkte sind auch ethisch und ökologisch gut. Aber praktisch alles was tierischen Ursprungs ist, ist diesbezüglich schlecht. Der Veganismus ist nicht perfekt. Was ist schon perfekt? Aber es ist die viel bessere und vor allem eine umsetzbare Option die so wichtig und effektiv ist wie kaum eine andere mögliche Umstellung. Eines ist aber richtig: Veganismus allein reicht nicht. Nur folgt daraus eben nicht, dass man gar nichts machen sollte, sondern dass man MEHR tun muss. Wir sind alle zu einem gewissen Grad schuldig an Umweltschäden. Vegan zu leben reduziert diesen Impakt bereits so gravierend, dass es für einen durchschnittlichen Fleischesser extrem schwierig ist, das irgendwie aufzuholen. ( -mal angenommen, dass es durchschnittliche Fleischesser gibt. Man trifft ja immer nur die ganz unterdurchschnittlichen.)

Natürlich kann und sollte man auch Veganer kritisieren, wenn man berechtigterweise denkt, dass sie vermeidbaren und unnötige Schäden anrichten. Oft sind aber Veganer selbst ihre schärfsten Kritiker, entweder untereinander – da neigen wir zugegeben teilweise zum Übertreiben – bisschen wie echte Menschen – oder auch sich selbst gegenüber. Und Veganer sind normalerweise bestrebt, an immer mehr Stellen immer besser zu handeln und dazu zu lernen. Und besser bedeutet an der Stelle: weniger Leid und Schaden verursachen. Entgegen der öffentlichen Meinung sind veganen Foren und Gruppen nämlich nicht voll von Beiträgen darüber wie geil wir im Vergleich mit Nichtveganern sind sondern viel mehr von solcherlei Fragen und Diskussionen. Mit konstruktiven Vorschlägen und redlicher, valider und sinnvoller Kritik wird man bei vielen Veganern auf offene Ohren stoßen. Das ist für viele einer der Gründe überhaupt vegan geworden zu sein . „Leb im Wald!“ oder „Bring dich um!“ fallen aber in keine dieser Kategorien.

Vor allem ist es aber sicherlich der Vorsatz nicht aktiv Leid und Schaden zu verursachen, der ja erst mal ein wichtiger erster Schritt ist und den man als so argumentierender Nichtveganer so in der Regel noch nicht mal gefasst hat. Es kommt auf die Richtung an in die man sich bewegt und die Frage ist letztlich -oder vielmehr erstlich: Wie gehen wir damit um, dass wir nicht völlig schadfrei leben können?
Da gibt es im Wesentlichen zwei Möglichkeiten: Die anständige Reaktion darauf wäre doch, dass man versucht selbst, so wenig wie möglich Leid und Schaden zu verursachen und einander zu helfen und als Nichtveganer beispielsweise zu sagen: Ich helfe dir dabei die Dinge abzustellen durch die du Leid verursachst und du hilfst mir dabei vegan zu werden. Wenn man das nicht kann, sollte man auch tunlichst vermeiden, so etwas als ein Argument anzuführen. Denn Veganer können. Und missionarisch wie wir nun mal sind, schrecken wir in der Regel auch nicht davor zurück, über das Vegansein zu sprechen und zu erklären, welche Alternativen es zu Tierprodukten gibt und wie man weniger Leide und Umweltschäden versucht und diese ganzen militanten Dinge.
Die andere mögliche Reaktion ist hingegen eben genau dieses Argument: „Du verursachst an anderen Stellen noch Leid und bist nicht 100% perfekt, also bist du ein Heuchler es in diesem Bereich zu versuchen oder zu fordern. Und weil du nicht 100% allen möglichen Leides vermeidest, muss ich gar nichts tun und kann deshalb weitermachen wie bisher.“ Und plötzlich gibt es für Menschen, die Veganern immer erklären, dass es nicht nur schwarz-weiß gibt, nur noch schwarz-weiß.
Ethisch gut ist oft nicht das, was die Gesellschaft uns leicht macht. Wenn es in unserer Gesellschaft aber nicht möglich ist, 100% ethisch zu leben, dann ändern wir nicht die Ethik um sie der Gesellschaft anzupassen sondern wir müssen die Gesellschaft so ändern, dass wir möglichst ethisch leben können.
Und genau das ist es, was Veganer tun. Natürlich ist das lästig und unangenehm. Aber das ist nichts dagegen, wie unangenehm es wird, wenn wir so weitermachen wie bisher oder wie es unseren tierlichen Opfern geht.

Hey Veganer, Pflanzen haben auch Gefühle.
Hey Veganer, Weidefleisch ist tier- und umweltfreundlicher.