Hey Veganer, ihr könnt eh nichts ändern!

Transkript

 
Veganer verursachen laut vieler Fleischesser ja eine ganze Menge Dinge: Sie zerstören Arbeitsplätze, Nutztierrassen sterben aus, es müssen viel mehr Pflanzen angebaut werden, der Regenwald wird für Soja abgeholzt, die Veganerlobby oder ein freiwilliger Veggieday bedrohen massivst demokratische Grundrechte und so weiter. Gleichzeitig ist der Veganismus aber sinnlos, weil man mit einem Verzicht auf Tierprodukte eh nichts ändert. Wenn man nur ganz wenig Fleisch vom beliebten Metzger des Vertrauens kauft, aber dann offenbar doch wieder…
Jedenfalls hört immer wieder Einwände wie etwa, dass Veganer doch eh nichts ändern können. Und dass man, nur weil man vegan lebt, beispielsweise die Massentierhaltung auch nicht abschaffen könnte -und dass das an der Nachfrage insgesamt quasi gar nichts ändert. Und natürlich wird ein Mensch mit einer Ernährungsumstellung die Massentierhaltung nicht im Alleingang aufhalten. Aber implizit stimmt man mit dieser Argumentation ja erst mal zu, dass im Kontext der Ernährung vieles am aktuellen Zustand enorm problematisch ist und man möglichst wirksam etwas ändern sollte: Tierfabriken abschaffen, unnötiges Tierleid verhindern, die Umweltschäden durch die Fleischindustrie minimieren, ressourcenschonender leben -und so weiter. Wenn man es also nicht gerade mit „Nach mir die Sintflut“-Menschen zu tun hat, gibt es also an vielen Stellen durchaus einen Konsens über wichtige Ziele und eine ethische Verantwortung des Einzelnen, zur Umsetzung dieser Ziele beizutragen. Nur wird bestritten -beziehungsweisse ABgestritten, dass das eigene konkrete Konsumverhalten einen nennenswerten Einfluss hat. Und man argumentiert, dass es keinen großen Unterschied macht, wie sich der Einzelne verhält. Deshalb wird quasi abgelehnt, irgendeine Änderung am eigenen Verhalten anzustreben.
Dass jeder einzelne von uns nur geringen Einfluss auf große wirtschaftliche und politische Prozesse hat, gilt im Grunde für alles – egal gegen was man aufsteht und für was man sich engagiert. Auch bei der Wahl macht die einzelne Stimme eines Wahlberechtigten sehr selten einen Unterschied – trotzdem geht in einer demokratischen Wahl die Macht vom Volke aus und die Summe aller Stimmen produziert Mehrheitsverhältnisse, die dann die Politik der nächsten Jahre ganz massiv prägen können. Beim Konsum ist das ähnlich. Wenn Konsumenten ein gemeinsames ethisches Anliegen teilen und sich darüber verständigen – beispielsweise keine Kleidung zu kaufen, die durch Kinderarbeit entsteht – und daraufhin bestimmte Marken gezielt boykottieren oder mit Kampagnenarbeit zum Umdenken bewegen, dann kann das einen signifikanten Unterschied für den Absatz eines Produktes bedeuten. Umgekehrt kann auch STEIGENDE Nachfrage nach gewissen Produkten in relativ kurzer Zeit bemerkenswerte Effekte erzielen: Innerhalb weniger Jahre ist das Angebot an explizit veganen Produkten deutlich gestiegen und hat sich von einem Nischen-Segment im Reformhaus und einzelnen Bio-Läden zu einem wichtigen Bestandteil der Produktpalette auch von Discountern entwickelt, was manche Fleischesser ja schon enorm nervt. In letzter Zeit haben einige Lebensmittelhersteller auf die vermehrte Nachfrage nach veganen Produkten reagiert, indem sie gekennzeichnet haben, welche ihrer Produkte bereits vegan sind – und damit das Einkaufen für viele Veganer erleichtert. Und das wiederum führt dazu, dass es für andere Menschen leichter wird, vegan zu leben, was wiederum die Nachfrage weiter erhöht und es noch leichter macht und so weiter. Neben spezialisierten Firmen und Marktketten für vegane Produkte erkennen auch viele etablierte Lebensmittelhersteller, dass sie ihr Sortiment an die vermehrte Nachfrage nach vegetarischen und rein pflanzlichen Produkten anpassen müssen. Das passiert ja alles nicht von allein.
Die meisten Menschen empören sich darüber, wenn andere ihnen etwas vorschreiben und aufzwingen wollen und über sie hinweg entscheiden. Aber an Stellen, wo sie selbst nachweisbar Änderungen bewirken könnten, werden viele lethargisch. Viele Menschen sind ja durchaus engagiert, wenn es um ihre eigenen Interessen geht. Obwohl sie da allein auch nichts ändern können. Da könnte man fast denken, dass sie doch anderer Meinung sind.
Wenn es um Tierleid geht, meinen viele, dass sie mit der reflexhaften Aussage: „Ich finde Massentierhaltung auch schlecht.“ genug getan haben. Aber wenn man einen ertrinkenden Hund sieht, käme niemand auf die Idee, dass der bloße Kommentar: „Ich finde es auch nicht gut, wenn Hunde ertrinken.“ eine lobenswerte Aussage wäre. Da wären Menschen selbstverständlich der Meinung, dass es sehr wohl eine Rolle spielt, wenn man als Einzelperson einen einzelnen ertrinkenden Hund rettet. Aber bei unzähligen Nutztieren vertritt man dann wohl doch wieder eine andere Ansicht. Wenn es um den Konsum von Tierprodukten geht, scheint man davon auszugehen, dass das eigene Verhalten keinerlei Auswirkungen hat. Sicherlich auch, weil man WILL, dass es keine Auswirkungen hat. Die Aussage: „Ihr könnt eh nichts ändern.“ ist oft eher das Resultat der Überlegung „ICH muss nichts tun, wenn ich nichts ändern kann.“
Tatsächlich ist aber sogar das Gegenteil der Fall. Als normaler Mensch kann man erst mal NUR allein im Kleinen etwas ändern, weil man nur die eigene Lebensführung wirklich steuern kann. Deshalb muss jeder erst mal bei sich selbst anfangen. Jede einzelne unserer Handlungen hat eine Auswirkung. Jede Entscheidung die wir treffen, ist die Chance etwas zu verbessern. Wenn man etwas für falsch hält, kann man das erst mal bei sich selbst ändern und dann den Menschen in seinem Umfeld die Beweggründe erläutern, um damit nicht allein zu bleiben. Und mit jeder Zustimmung wächst das Potential zur Veränderung. Man kann durchs Vorleben andere ermutigen, auch Konsumveränderungen zu versuchen. Oder man kann Menschen, die noch nichts davon wissen, darüber aufklären. Und man kann andere, die ja eigentlich auch den Anspruch haben, etwas zum Positiven zu ändern, in ihrer Entscheidung bestärken. Zu Veränderungen kommt es, wenn eine gewisse Anzahl von Menschen beginnt, sich für etwas einzusetzen. Niemand rettet die Welt allein, aber wenn viele Individuen jeweils ein Stück davon etwas besser machen, ergibt das in Summe riesige Verbesserungen.

Einfach so weiter zu machen wie bisher und die Folgen unseres Handelns zu ignorieren, kann nicht gut gehen. Und die einzige Alternative dazu, ist etwas zu ändern. „Ich will leben, als ob es kein Morgen gäbe, weil es global gesehen keine Rolle spielt und das eh alle machen.“… das ist zwar eine sehr verlockende und einfache Überzeugung. Aber eine, die unvermeidlich ins Auge gehen wird. Es ist einfach ein gravierender Unterschied, ob man eine Gesellschaft von Menschen hat, wo jedes Individuum der Meinung ist „Alleine darf ich alles.“ Oder ob man eine hat, die der Meinung ist, dass man eben nicht alleine ist und gemeinsam stark ist und deshalb zusammenarbeiten kann, sollte und muss, um etwas zu bewirken.

Dass man Diskriminierung, Unterdrückung, Gewalt und Ausbeutung nicht sofort komplett eliminieren kann, heißt das doch nicht, dass man nicht enorm vieles verbessern kann, wenn man sich bemüht, anständig zu leben und zusammenarbeitet, um etwas zu verändern, statt sich der bequemen Resignation hinzugeben. Und weil man mit dem Veganismus allein nicht alle Ziele erreicht, heißt das nicht, dass man das sein lassen sollte, sondern dass man darüber hinaus noch an anderen Stellen ansetzen sollte. Irgendwo muss man anfangen. Und die Tiere in Ruhe zu lassen, ist da doch ein besonders sinnvoller und einfacher Anfang. Man muss ja noch nicht mal viel tun. Man muss hauptsächlich etwas sein lassen und erreicht damit gleich in mehreren Bereichen Verbesserungen.
Wenn man nicht in einer Welt leben will, wo die Stärkeren die Schwächeren unterdrücken, sollte man Schwächeren gegenüber auch nicht so handeln und dementsprechend keine Tiere töten lassen, auch wenn die meisten anderen das nur als ein Problem erkennen, wenn sie gerade selbst die Schwächeren sind.
Es gibt kaum einen Bereich wo, man selbst so direkt Einfluss nehmen kann, wie bei den eigenen Konsumgewohnheiten und beim eigenen Verhalten -insbesondere schwächeren und wehrlosen gegenüber.

Hey Veganer, jeder soll essen, was er will!
Hey Veganer, das ist nur so ein Trend!