Hey Veganer, ihr NERVT!

Transkript

Es gibt einige Dinge, bei denen es trendy ist, sie doof oder nervig zu finden, auch wenn man vielleicht selbst gar nicht wirklich viel damit zu tun hat. Aber weil alle anderen das auch tun, schließt man sich an, betätigt sich gegenseitig und schaukelt das Thema hoch, wodurch es vermeintlich noch nerviger wird.
Zum Beispiel Wesley Crusher aus Star Trek oder Nickelback. So ähnlich ist das auch mit Veganern. Viele Menschen verbringen bemerkenswert viel Zeit damit, immer wieder zu betonen, wie nervig sie Veganer finden, statt sie einfach zu ignorieren, so wie Tierleid oder Klimawandel. Bei Veganern kommt allerdings noch ein bisschen mehr dazu und es gibt verschiedene Gründe warum die als nervig wahrgenommen werden. Vieles davon ist eine spezielle Mischung aus stiller Post, verzerrter Wahrnehmung und selbsterfüllender Prophezeiung. Das Nervigfinden von Veganern basiert zum Teil auf einer Gruppendynamik und man kann mit so einer Einstellung viel Zustimmung ernten und sich gegenseitig bestätigen und dazugehören.
Und sobald irgendwo ein Veganer auftaucht oder ein Facebookpost mit einem veganen Rezept oder ein Zeitungsartikel der annähernd mit dem Thema zu tun hat, kann man Veganer nervig finden und das sich selbst und anderen versichern.
Natürlich kann man Menschen als Veganer auch ganz einfach vorsätzlich auf die Nerven gehen. Am effektivsten beginnt man dafür alle seine Sätze, mit „Als Veganer…“ Vielen Menschen scheint das ohnehin so vorzukommen -egal was man sagt. Häufig wird die Ansicht vertreten, dass Veganer den ganzen Tag über nichts anderes reden würden und quasi ein unstillbares Bedürfnis hätten, jedem sofort von ihren Veganismus zu erzählen. Solche mag es geben, aber das ist die absolute Ausnahme. Meist muss man gar nichts sagen oder tun um zu nerven, sondern einfach nur da sein oder erwähnt werden. Als Veganer nervt man ganz automatisch überproportional. Oftmals reicht sogar einfach nur der Strohmann eines Veganers und es ist eher das, was man mit Veganern verbindet, was einen nervt.

Man sollte als Nichtveganer mal versuchen, sich in Veganer hineinzuversetzen. Veganer werden praktisch jede einzelne Sekunde mit der Ideologie der Tiernutzung und mit Tierleid und toten Tieren auf Tellern konfrontiert. Als Veganer wird man quasi permanent von Menschen, Firmen und Vereinen „genervt“ die Tierprodukte essen, produzieren, verarbeiten, besprechen, loben, bewerben, darstellen, verkaufen u.s.w. Und man muss sich um Grunde täglich schwache Rechtfertigungen, uralte schlechte Witze, Spott, blöde Sprüche und teils ganz seltsame Fragen hinsichtlich des Veganismus anhören. Und meist passiert das unaufgefordert. Sehr häufig sind es die Fleischesser die das Thema ansprechen oder sich in Diskussionen dazu einschalten und ungefragt anfangen, Fleischkonsum zu rechtfertigen. Aber spätestens sobald man als Veganer auch etwas sagt, sind sich die Fleischesser am Tisch oft einig, dass der Veganer nervt und ein übersteigertes Mitteilungs- und Missionierungsbedürfnis hat und geben das dann auch so weiter. Viele Veganer wären aber tatsächlich schon froh, wenn ihr Veganismus nicht immer von anderen thematisiert werden würde, denn solche meist immer sehr ähnlich verlaufenden Diskussionen sind für Veganer mindestens genauso nervig. Vermutlich viel mehr. Wenn Veganer fragen, ob es auch was veganes zu essen gibt oder ob ein Gericht vegan ist, wollen sie Information. Sie bekommen aber meistens Fragen, Rechtfertigungen, Diskussionen, blöde Witze und die Unterstellung, man würde Selbstdarstellung betreiben.
Wir Menschen neigen dazu, uns selbst zum Maß aller Dinge zu machen und eben nur das als relevant zu betrachten, was UNS nervt. Aber wenn man mal darüber nachdenkt, wie oft man über nichtvegane Dinge spricht oder diese tut, dann wird man feststellen, dass das im Allgemeinen wesentlich häufiger der Fall sein dürfte als bei Veganern und Veganismus. Man nimmt es nur nicht wahr, weil es für einen die Normalität ist. Aber diese Normalität wird durch den Veganismus bedroht. Und das stört.
Wenn nun 99% der Bevölkerung von dem einen Prozent Veganern so genervt sind, wie viel extremer wäre es erst, wenn das Verhältnis andersrum wäre und ein Prozent der Menschen von den anderen 99% genervt werden? Etwa so ist das nämlich für Veganer.

Bei vielen Menschen wäre die Antwort auf „Du nervst!“ wohl irgendwas in der Art von: „Na und? Ist doch nicht mein Problem!“ Aber von Veganern erwartet man da eher ein „Ah, ok. Sorry, dann hör ich auf.“ Auch da scheinen bei anderen wieder andere Maßstäbe angelegt zu werden, als bei sich selbst.

Natürlich kann es nerven wenn man beispielsweise für Veganer zusätzlichen Aufwand beim Kochen betreiben muss. Wenn diese sagen, dass da nicht nötig ist, weil sie beispielsweise selbst was mitbringen, nervt das auch aber auch, Weil man sich dann wie ein schlechter Gastgeber fühlen kann. Da kann man als Veganer also gar nicht viel tun. Eigentlich sollte es kein Problem sein, veganes Essen anzubieten. Es ist ja schließlich auch so ziemlich der kleinste gemeinsame Nenner. Vegan kann praktisch fast jeder essen. Aber daran zeigt sich auch, wie abhängig sich Menschen von Tierprodukten gemacht haben und wie durchdrungen unsere Gesellschaft und unser Denken von Tierausnutzung ist, meist ohne dass wir das wirklich wahrnehmen. Und da ist Veganismus ein Fremdkörper der auffällt und stört. Speziell auch weil er zeigt, dass es auch ohne geht.

Und wie die Menschen auf den Begriff „vegan“ reagieren, zeigt schon recht deutlich wie wenig rational die Auseinandersetzung mit dem Thema ist. Bei einer Umfrage gaben tatsächlich die Hälfte der Befragten an, dass sie niemals vegane Speisen probiert hätten und dass das auch niemals für sie in Frage käme. Das ist natürlich kompletter Unsinn. Jeder hat schon mal etwas ohne Tierprodukte gegessen. Und seien es Nudeln mit Tomatensoße, Pommes mit Ketchup oder nur ein Apfel. Die Nahrungsaufnahme wird nur dann reflexhaft verweigert, wenn auch dran steht, dass da dieses „vegan“ drin ist. Und in vielen Fällen war es dann auch so, dass bei ohnehin veganen Produkten wie etwa Gebäck der Umsatz einbrach, sobald man sie auch so auszeichnete. Das zeigt, wie trotzig und defensiv viele Menschen auf den bloßen Begriff reagieren und wie wenig sie gleichzeitig wirklich damit befasst haben.

Aber abgesehen von solchen Reaktionen nerven die Veganer die aktiv für den Veganismus eintreten, natürlich schon quasi vorsätzlich. Auch das lässt sich allerdings kaum verhindern. Wer von Aktivisten erwartet, einfach vegan zu leben ohne andere damit zu nerven, verlangt im Grunde von ihnen gegen ihre ethische Motivation zu handeln. Wenn es um die Verminderung von Leid geht, ist es widersinnig, einfach nur sein Ding zu machen und ansonsten die Klappe zu halten statt dort zu argumentieren, wo die Ursache für die Tierausbeutung liegt, also beim Konsumenten.

Was oft nicht so sehr stört, sind Gesundheitsveganer die aus mehr oder weniger privaten Gründen vegan leben. Und wenn die mal nerven, dann kann man das natürlich leicht und wahrscheinlich zu recht kritisieren, weil es eben Privatsache ist was jeder mit seiner eigenen Gesundheit tut. Aber der eigentliche Veganismus hat ethische Hintergründe im Bezug auf Tiere, weshalb das da anders aussieht und was noch mal einen Aspekt hinzufügt der eben nicht so leicht abzutun ist. Die Tierrechtsbewegung ist in ein Sonderfall unter den sozialen Bewegungen. Während viele andere Bewegungen eher für ihre eigenen Interessen eintreten, engagieren sich Tierrechtler für Individuen die das nicht selbst können. Und als Fleischesser ist man natürlich automatisch von diesem Aktivismus betroffen. Und das stört.
Aber nichtmenschliche Tiere haben ansonsten niemanden der für sie eintritt. Und wenn man das nicht tut, wird sich dieser Zustand nicht bessern.

Wenn man diesem enormen Leid und der Gewalt gegen die sich Veganer engagieren eine subjektives „Du nervst!“ gegenübergesetzt wird, dann ist das ein recht schwaches Gegenargument. Man kann sogar argumentieren, dass man nicht nur das Recht sondern sogar eine moralische Pflicht hat, andere mit der Problematik ihres Handelns zu konfrontieren und dass man an manchen Stellen einfach stören muss.
Wer selbst nicht Gewalt, Leid und Ausbeutung erdulden will, sollte sich auch für andere Individuen engagieren, denen solche Dinge angetan werden.
Sonst hätte man auch kaum das Recht, so ein Verhalten sich selbst gegenüber anzuklagen. Wer etwas, das er für Unrecht hält, unkommentiert geschehen lässt, stellt sich im Grunde auf die Seite derer die es begehen. Das dürfte für die meisten Veganer wichtiger sein als nicht zu nerven.

Der Grund dafür, dass viele Veganer vorsätzlich nerven, ist in der Regel NICHT, dass sie aus purem Selbstzweck auf sich aufmerksam machen wollen. Das wird gern unterstellt, weil diese Behauptung es einfach macht, das Ganze als selbstgefälligen Ego-Trip oder als naiven Trend abzutun. Sich mit echten ethischen Aspekten dahinter auseinander zu setzen, ist sehr viel schwieriger. Wenn man gegen Veganer argumentiert, argumentiert man im Grunde für Tierausbeutung. Und obwohl man das unbewusst tut, ist das eine unangenehme Situation.

Veganer triggern selbst in subtiler Form viel stärker als andere Dinge die zwar viel präsenter sind aber trotzdem kaum wahrgenommen werden. Durch ihre bloße Existenz machen sie auf unbequeme Themen aufmerksam, die man eigentlich gar nicht diskutieren will und lieber verdrängen möchte. Als Veganer weist man auf die ganzen Konsequenzen des Fleischkonsums hin: Umweltschäden, Verteilungsungerechtigkeit, Antibiotikaresistenzen und Stallkeime -und nicht zuletzt natürlich Tierleid. Dass das lästig ist, ist klar. Das hat die Realität oft so an sich. Speziell wenn man sie lieber verdrängen möchte. Veganer sind eine Bedrohung für das eigene positive Selbstbild, die eigenen Gewohnheiten, die eigenen Privilegien und das eigene Gewissen. Sie sind automatisch ein Angriff auf die eigene Lebensweise. Das stört und macht defensiv. Wir Menschen wissen eigentlich auf einer gewissen Ebene, dass vieles von dem was wir tun gar nicht so cool ist. Aber weil Fleischessen auch identitätsstiftend ist und alle anderen es auch tun, ist das einfach zu rechtfertigen und auszublenden, speziell, wenn man eine Hand voll Phrasen hat, um sich das zu bestätigen: „Es war schon immer so!“ „Es ist natürlich!“ „Alleine kann man eh nichts ändern!“, „Das machen alle so“ und so weiter. Außer wenn jemand ins Spiel kommt, der das nicht tut und es vorsätzlich besser macht. Dann bricht diese Schwarmrechtfertigung ein Stück weit weg und man muss sich mit der unterschwelligen Erkenntnis auseinandersetzen, den eigenen moralischen Ansprüchen und dem eigenen positiven Selbstbild vielleicht nicht gerecht zu werden.
Und das ist natürlich auch unangenehm und sorgt zusätzlich dafür, dass diese mangelernährten Nervensägen so lästig sind. Und wenn Veganer dann noch gute Argumente haben, die an der eigenen Konditionierung und an den bequemen Privilegien kratzen und unschöne Konsequenzen des Fleischkonsums aufzeigen, dann ist das anstrengend und unangenehm und Veganer als Auslöser dieser Störgefühle werden als unerwünscht empfunden.

Menschen zu überzeugen, indem man ihnen moralische Vorwürfe macht, funktioniert wohl eher selten. Das lässt das menschliche Ego kaum zu. Und es nervt. Und viele Veganer hören sicherlich auf mit dem Thema, wenn sie merken dass sie nerven. Aber als ethisch motivierter Veganer ist das schwierig, denn als solcher ist man so eine Art personifizierter Vorwurf weil man Handlungen ablehnt die man als unethisch erachtet, die Fleischesser aber ausüben. Das muss man nicht mal aussprechen. Man kommuniziert das bereits durch die eigenen Lebensweise und ist dadurch quasi automatisch eine provozierende moralische Anklage wenn man die Sache ernst nimmt und konsequent ist und die eigenen Überzeugungen nicht verwässert und relativiert, um bei Nichtveganern keine Verteidigungsreflexe auszulösen.
Wenn Menschen eher genervt als interessiert sind, ist das sicherlich nicht das erstrebenswerteste Ziel aber manchmal muss man nehmen was man kriegen kann. Bei vielen Menschen erreicht man eben durch ständiges Nerven etwas und oft lässt sich das auch einfach gar nicht verhindern. Und nur weil man manche Menschen nervt, heißt das nicht, dass andere nicht empfänglich für Argumente sind.
Und wenn man Menschen nicht zuhört, obwohl sie gute Argumente haben, weil sie einen „nerven“ dann liegt das Problem auch bei der eigenen Attitüde, nicht bei den anderen.

Wenn es nervt, dass Veganer sich gegen Gewalt an Tieren engagieren, kann man eigentlich nur eins tun, nämlich die Ursache dafür abschaffen: Gewalt an Tieren. Und wenn es dann doch dieses vermeintlichen Ego-Veganer waren, die so eine Show nur abziehen, um sich wichtig zu machen, dann hat man denen zumindest die Grundlage dafür genommen und kann es ihnen damit richtig geben, weil sie sich dann nicht mehr für was Besseres halten können. Das ist doch auch was.
Aber solange Veganer von Gewalt gegen Tiere „genervt“ werden, werden sie auch mit ihrer Kritik daran weiternerven. Fleischesser hören ja auch nicht einfach mit dem Tierausbeutung auf, weil es Veganer nervt.

Hey Veganer, eure Ersatzprodukte sind chemisch und ungesund!
Hey Veganer, wenn wir Tiere nicht essen… wohin dann mit ihnen?