Das Vegan-Nazi-Paradoxon

Lieber Internetkommentier-Fleischesser. Ok, ja. Du hast mich. Jetzt ist es raus. Es war bisher nie jemandem aufgefallen, aber du hast (vermutlich dank des anonymen Internets) den Mumm, die unangenehme Wahrheit auszusprechen, die sonst niemand zu äußern wagt: Veganer sind Nazis. Die Zeichen sind eigentlich eindeutig und es macht betroffen, dass dies niemandem bisher auffiel, aber wir versuchen, anderen unsere Meinung aufzuzwingen. Also speziell die Meinung, dass Gewalt scheiße ist. So wie damals auch unter Adolf. Wer erinnert sich nicht lebhaft daran, wie der Führer Hippie-Parolen ins Mikrofon säuselte, um daraufhin mit seinem Reichs-Liebhab-Minister Knubbels frohlockend über Frühlingswiesen zu hüpfen. Also ich nicht. Aber das war ja auch etwas vor meiner Zeit. Das Aufzwingen unserer Meinung manifestiert sich dabei darin, dass wir sie nicht für uns behalten sondern aussprechen. Wie die Nazis! Die haben auch oft Sachen gesagt. Das tust du natürlich auch: Sachen sagen und Zeug doof finden und so, aber der Unterschied ist, dass du das Recht auf deiner Seite hast und das darfst, während wir – wie du richtig festgestellt hast – kurz davor stehen, alle Andersdenkenden in Vernichtungslager zu stecken. Dann sind die zwar tot, aber vermutlich unserer Meinung. Die Parallelen sind unübersehbar.

Es stimmt! Wie den Nazis geht es uns darum, uns als die überlegene Art darzustellen, weswegen wir jene die nicht zu uns gehören einsperren, unterdrücken, ausbeuten, töten und … nein halt, irgendwas stimmt da nicht. Naja ich komm‘ noch drauf. Egal. Wo war ich stehen geblieben? Ach ja: „Bestimmtes Verhalten wird ausgegrenzt, ganz nach faschistischem Vorbild.“ Gut, natürlich grenzt jetzt jeder irgendwelches Verhalten aus und spätestens wenn jemand Nazi-Verhalten ausgrenzt und damit ganz nach Nazi-Verhalten handelt, wird es für den Laien irgendwie paradox, aber es ist nun mal voll nazi auch andere Lebewesen zu berücksichtigen. Sich gegen Gewalt auszusprechen, ist in etwa mit einem Einmarsch in Polen zu vergleichen. Schließlich ist es voll nazi, Lebewesen die nicht zur Herrenspezies gehören, Rechte einräumen zu wollen. Die haben ausschließlich das Recht gut zu schmecken.

Hitler! war! Vegetarier! Man muss das immer wieder erwähnen, damit wir endlich kapieren, dass wir nicht die besseren Menschen sind. Der war einer von uns! Und der GröVaZ (der größte Vegetarier aller Zeiten), war ja auch ein großer Tierfreund. Klar, er hat im Krieg auch anderthalb Millionen Pferde verheizen lassen und gab den Befehl sie zu essen – was nun nicht ganz so vegetarisch war, und wenn man jetzt Haare spalten wollte, dann sind natürlich auch Menschen Tiere. Und was Menschen angeht … aber lassen wir das. Er hatte eine Schäferhündin, die er regelmäßig mal pressewirksam gestreichelt hat, bevor er irgendwann die Tödlichkeit seiner Blausäurekapsel an ihr ausprobieren lies, aber das tun ja schließlich alle Vegetarier. Tierversuche befürworten und so. Er war es der uns lehrte, auf alles zu verzichten was gut und lecker schmeckt, um uns für unsere selbstgeißelerische Enthaltsamkeit auf die Schulter klopfen zu können und verfasste darüber auch sein asketisches Kochbuch „Kein Mampf“. Dies bestand folgerichtig im Grunde aus 200 rezeptlosen Seiten. Daher ist es auch nicht besonders populär geworden. Dabei gäbe es doch so viele schöne Rezepte: Reichsbratapfel, Nazi Goreng, Herrenmenschentorte …

Zurück zum Thema! Seien wir ehrlich: Es steckt doch schon im Namen: TierRECHTSaktivisten. Wieso hat da nicht schon eher mal jemand nach dem RECHTEN gesehen? Ist doch klar, dass da etwas nicht mit RECHTEN Dingen zugeht … Ok, ich hör’ ja schon auf …

Und natürlich hast du Recht: Ich habe beim Thema Missionierung das dunkelste Kapitel in der Geschichte des Veggieterrorismus nicht erwähnt: Den Veggieday. Jene Reichssojanacht in der jeder, der sich auf der Straße nicht glaubwürdig durch das auswendige Aufsagen des Veganer-Eides als Angehöriger der vegetarischen Herrenrasse zu erkennen geben wusste, gefesselt und mit glibberigem Seidentofu zwangsernährt wurde. Nein, für dieses Verschweigen gibt es keine Entschuldigung. Das hatte nichts damit zu tun, dass das Thema mal sowas von 2013 ist und bis zum übernächsten Wahlkampf auch erst mal durch sein dürfte. Ich habe das Thema absichtlich verschwiegen, weil ich fürchtete, dass jemandem die Parallelen zum Eintopfsonntag auffallen könnten. Nein, das war ganz klar ein gescheiterter Fall von Geschichtsklitterung meinerseits. Ich kann es nicht leugnen. Und natürlich hast du auch damit völlig Recht: Wenn man einen fleischfreien Tag einführt, dann muss man auch einen Fleischzwangstag einführen. Das ist nur gerecht. Das ist ganz simple Logik, die jeder der ähnlich simpel denkt verstehen müsste. Ok, das kam irgendwie falsch raus. Ich finde das Konzept jedenfalls großartig. Aber wenn schon konsequent dann richtig: Zum Tag der Menschenrechte muss dann natürlich ein entsprechender Es-lebe-die-Sklaverei-Tag eingeführt werden. Zum internationalen Tag gegen Homophobie führen wir den Homo-Hass-Hurra-Tag ein. Und zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen gibt’s dann Hau-die-Frau-Tag – im Sinne von Gleichberechtigung, Toleranz, Ausgewogenheit und der Berücksichtung aller Meinungen. Es soll ja nicht der Eindruck entstehen, wir würden hier jemanden diskriminieren wollen, also außer Schwule, Frauen, Tiere und Menschen so ganz allgemein. Aber man kann ja auch alles übertreiben. Wenn wir unethisches Handeln kritisieren würden, käme schließlich ganz schnell jemand daher, der uns als Nazis bezeichnet. Und unser Ansehen bei ein paar kreischenden Internetpolemikern ist uns natürlich wichtiger als dieser ganze Ethik-Kram. Und der ist ohnehin unglaublich gefährlich. Sobald man nämlich Dinge als Unrecht bezeichnet ist man intolerant, hält sich für was Besseres und ist eben voll nazi und so. Also bei Menschenrechtsverletzungen ganz unauffällig tun, zügig weitergehen und bloß nicht den Anschein erwecken, dass man das missbilligt. Missbilligen ist nämlich nazi. Die haben früher auch immer Sachen missbilligt.

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